Tag der Pflege
Pflege ist wertvoll

Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sei laut Sozialminister Johannes Rauch notwendig, um Menschen im Pflegeberuf zu halten. Es bleibt abzuwarten, was die in Aussicht gestellte Pflegereform bewirken kann.
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Zum Tag der Pflege gibt es viele Forderungen und Wünsche an die Regierung. Eine Erkenntnis ist allen gemeinsam: Die Zeit drängt.

Mehr Gehör für unsere Anliegen und mehr Zeit für die BewohnerInnen“ – „Dass für unsere immer mehr werdenden dementen BewohnerInnen mehr Zeit und Personal zur Verfügung steht“ – „Mehr Wertschätzung in der Pflege, dass jungen Menschen gezeigt wird, wie wertvoll eigentlich unser Beruf ist“. Antworten wie diese erhält, wer MitarbeiterInnen in der Pflege fragt, was sie sich persönlich zum Tag der Pflegenden (12. Mai) wünschen würden. Die Caritas hat ihre Mitarbeitenden im Bereich der Pflege befragt und schließt sich ihrem Hauptwunsch an: „Die Pflege braucht bessere Rahmenbedingungen, die es möglich machen, die Sorge um die Menschen in den Mittelpunkt zu rücken“, betont Nora Tödtling-Musenbichler, Vizedirektorin der Caritas Steiermark. „Denn Menschlichkeit braucht Zeit.“

Die Herausforderungen in der Pflege seien unübersehbar, hält Tödtling-Musenbichler fest: Personalmangel und die demografische Entwicklung, eine Zunahme an Menschen mit Demenzerkrankungen, nicht zuletzt fehlende Wertschätzung für die Pflegenden und ein falsches Bild von der Tätigkeit. „Es ist ein vielfältiger, erfüllender Beruf, der viele Entwicklungsmöglichkeiten bietet und in dem man entsprechend den persönlichen Stärken und Talenten vieles mitgestalten kann“, widerspricht sie gängigen Vorstellungen.

Umstieg leistbar machen
Großes Potenzial, um neue Pflegekräfte zu gewinnen, sieht die Vizedirektorin bei Umsteigern: „Oft interessieren sich Menschen, die schon anderswo Arbeitserfahrung haben, für den Beruf, bei dem Lebenserfahrung ein großer Vorteil ist. Auch daher sind neue Modelle nötig, um den Zugang und den Umstieg niederschwellig und flexibel zu ermöglichen. Dazu gehören Verdienstmöglichkeiten und finanzielle Unterstützung während der Ausbildung: „Interessierte müssen es sich leisten können, in diesen Beruf zu wechseln.“

Wichtig sei auch, die Mitarbeitenden zu entlasten: „Die Pflegenden wünschen sich, ihre Tätigkeit so ausüben zu können, wie wir wohl alle selbst gepflegt werden wollten – mit individueller Begleitung und menschlicher Zuwendung.“ Im Pflegeschlüssel müsse daher mehr Zeit für qualitative Tätigkeiten wie palliative Betreuung, aber auch Zeit für Team- und Fallbesprechungen einberechnet werden. Dies diene auch der Qualitätssicherung. Der Pflegeschlüssel müsse zudem österreichweit vereinheitlicht werden. „Die Pflegenden selbst sind es, die unsere Pflege in Zukunft gestalten“, so Tödtling-Musenbichler.

Auch das Hilfswerk Österreich schließt sich dem an. „Kernstück der Pflegereform ist und bleibt eine Personaloffensive. Denn: ohne Pflegekräfte keine Pflege“, stellt Othmar Karas, Hilfswerk-Präsident, klar. „Das Pflegesystem birgt aber weitere Schwachstellen, für die gilt: Der Masterplan, um sie zu beheben, fehlt. Seriöse Berechnungen, wie viel eine menschenwürdige, professionelle, an den Bedürfnissen der Betroffenen orientierte Pflege kostet, gibt es nicht“, bemängelt Karas. Das betreffe insbesondere die im Regierungsprogramm angekündigte Stärkung der Pflege zu Hause sowie die Entlastung der pflegenden Angehörigen. Auch dafür müsse Geld fließen: „Eine Pflegereform, die nichts kostet, ist keine“, so Karas.

Reform in Sicht
Sozialminister Johannes Rauch signalisierte indes Offenheit gegenüber den Forderungen. Er sei bei der Pflege-Reform in der „Endphase der Verhandlungen“, diese werde noch vor dem Sommer präsentiert werden. Und er gehe davon aus, „dass auch die Caritas dann sagen wird, ‚das ist die Reform, auf die wir gewartet haben‘“. Details nannte Rauch zwar keine, betonte aber, dass die Ausbildung ein wesentlicher Punkt sein werde: „Mehr Menschen in Ausbildung zu bringen, wird eine zentrale Aufgabe sein – dafür wird es Geld brauchen und auch geben.“
Mindestens genauso wichtig sei es aber auch, all jene, die bereits jetzt im Pflegebereich tätig sind, auch dort zu halten. Gerade die Erfahrung aus den Pandemie-Jahren habe gezeigt, dass es viele in diesem Sektor Tätige gibt, die überlegen, „den Job zu lassen, weil er gerade während der Pandemie extrem anstrengend und fordernd“ gewesen sei, wie er mit Blick auf zahlreiche Corona-bedingte Ausfälle sagte. „Die Arbeitsbedingungen zu verbessern ist das Gebot der Stunde“, bekräftigt Rauch.

IM ORIGINALTON

Spontan ein paar Tage wegfahren ist nicht drin

Ich pflege seit zirka acht oder neun Jahren meine inzwischen 80-jährige Schwiegermutter, die mit meinem Mann, unseren Kindern (13 und 14 Jahre) und mir zusammen im Haus wohnt. Sie hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs, der glücklicherweise früh erkannt wurde. Seitdem hat sie eine Gallendrainage, die regelmäßig gespült und neu verbunden werden muss.
Vor diese Tatsache sind wir damals völlig überraschend gestellt worden, weil sie sonst nicht überlebt hätte.

Unser Hausarzt hat mich damals gefragt, ob ich mir die Pflege zutraue – zusätzlich zu den Kindern und meinem Beruf. Ich bin Sozialpädagogin und mit 75% bei der Lebenshilfe angestellt. Wir hätten natürlich auch die Hauskrankenpflege holen können. Dass es so etwas gibt, ist ein Segen. Wegen des hohen Infektionsrisikos bei dieser speziellen Drainage war mir aber schlussendlich der Gedanke lieber, möglichst wenig Wechsel bei der Pflege zu haben. Und ich habe mir zugetraut, das selbst zu machen. Meine Mutter hat meine Großmutter gepflegt, und die ist immerhin 102 Jahre alt geworden!

So bin ich aufgewachsen, und ich finde es schön, dass meine Kinder auch in einem Mehrgenerationenhaushalt groß werden. Zu sehen, wie sie ihrer Oma helfen, freut mich. Außerdem habe ich das Glück, dass ich mich mit meiner Schwiegermutter verstehe. Sonst würde das nicht klappen.
Was man braucht, ist viel Organisation, Vorausplanung und ein tragfähiges Netz von Menschen, die einspringen können. Auch wenn meine Schwiegermutter
phasenweise noch gut auf den Beinen ist, kann man sie nicht mehr über längere Zeit allein lassen. Spontan ein paar Tage wegfahren ist also nicht drin. Heuer wollen wir ausnahmsweise eine Woche weiter weg verreisen – dafür ist schon alles geplant: wer da sein wird, Essen macht und die Drainage spülen kann. Bleibt zu hoffen, dass nichts dazwischenkommt. Das kann nämlich immer passieren.

Sigrun Brottrager
ist zweifache Mutter, Sozialpädagogin und pflegende Angehörige.

Tag der Pflege
12. Mai in Graz: 15.30 Uhr Treffpunkt Tummelplatz, 16.00 Uhr Start des Protestzugs.
Einladung: Steirische Gewerkschaften.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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