Demenz
Ganz wichtig ist: Sprechen, sprechen, sprechen

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Die Frau von Herrn K. ist vor zwei Jahren an Demenz erkrankt. Im Interview erzählt Herr K.,
wie sich das Leben mit einem Menschen mit Demenz jetzt anfühlt.

Die Bezugspersonen eines Menschen mit Demenz sind stark mitbetroffen. Wie ist das Leben mit einem Menschen mit Demenz? Was ist anders?
Das Leben hat sich stark verändert, alles ist anders. Zeitweise geht es meiner Frau besser, dann wieder ganz schlecht, es ist sehr verschieden. Die Krankheit hat sich schon länger angekündigt, kam dann aber plötzlich wie ein Schlag. Wir sind fast 50 Jahre verheiratet, wir könnten es jetzt so schön haben, und jetzt diese Erkrankung.

Angehörige und Demenzkranke leben in unterschiedlichen Welten und sitzen doch am gleichen Tisch. Worin sehen Sie die Herausforderungen, aber auch die kostbaren Momente in der Begegnung mit einem demenziell Erkrankten?
Ich komme oft an meine körperlichen und seelischen Grenzen. Die Belastungen sind sehr groß. Es ist manchmal zum Verzweifeln. Und dann ist aber auch die Hoffnung da, dass alles besser wird. Wenn ich spüre, meine Frau hört und versteht mich; das sind die Momente, die so kostbar und so schön für mich sind. Dann empfinde ich eine unendliche Dankbarkeit.
Was wünschen Sie sich konkret von der Kirche in dieser Situation?
Die Kirche kann Menschen, die einen schweren Weg zu gehen haben, im Glauben stärken. Das kann dann konkret heißen, dass Seelsorger/-innen für Menschen in Not wirklich da sind. Seelsorger sollen
zuhören, Menschen aufrichten, sie sollen mitgehen und standhalten und nicht davonlaufen.

Was ist Ihrer Ansicht nach das Wichtigste in der Begegnung mit Menschen mit „Demenz“?
Sprechen, sprechen, sprechen. Das ist das Wichtigste. Meine Frau meine Nähe und Zuneigung spüren lassen. Sie nicht allein lassen. Und es geht an die Nieren, wenn Freunde und Besserwisser mir sagen: Gib
sie doch einfach ins Heim, dann hast eine Ruh’! Das schmerzt und schneidet in die Seele …

Was sind Ihre Quellen, aus denen Sie die Kraft schöpfen, Ihre Frau so fürsorglich und liebevoll zu begleiten?
Die Kraft kommt von meiner Familie, von meinen Kindern; sie bestärken und unterstützen mich. Wir haben so brave Kinder. Und ich finde Kraft in meinem Glauben, den ich immer gehabt habe.

Interview: Andreas Pack,
Regionalreferent Pflegeheimseelsorge
für Graz und Steiermark-Mitte

Drei Fragen an …
Prim. Dr. Peter Mrak, LKH Weststeiermark, Abteilung für Innere Medizin, Voitsberg.

Was bedeutet die Diagnose Demenz Ihrer Erfahrung nach für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen?
Eines vorweg: Die gesicherte Diagnose „Demenz“ kann erst nach einer umfassenden medizinischen Abklärung gestellt werden. Nicht jede Verwirrtheit ist eine Demenz, es gibt auch andere Ursachen. Das kann eine Depression sein oder eine körperliche Erkrankung. Nach erfolgreicher Behandlung gehen die Symptome in den meisten Fällen wieder zurück. Man spricht von „Pseudodemenz“. Also bitte nicht in Panik verfallen, wenn einmal das Gedächtnis auslässt. Die echte Demenz ist natürlich sehr belastend – die Betroffenen fürchten, ihre Autonomie zu verlieren, Angehörige sehen einen riesigen Betreuungsbedarf auf sich zukommen.

Was stärkt in dieser Situation, und wo braucht es noch mehr Unterstützung?
Häufig ist eine abnehmende Problemlösungskompetenz noch vor Bekanntwerden der Erkrankung bereits Anlass gewesen, Hilfe zu suchen. Diese muss nach erfolgter Diagnose professionell weiter ausgebaut werden, (Pflegedrehscheibe, Demenzservicestellen, Selbsthilfegruppen), um die Betroffenen rechtzeitig zu fördern und mit adäquaten Versorgungsangeboten zu stützen, wobei hier Familie und Ehrenamt ebenfalls sehr gefordert sind.

Wie ändert sich das Leben für Menschen mit Demenz? Gibt es medizinische Möglichkeiten?
Medikamentös-therapeutisch haben wir leider noch wenige wirkungsvolle Möglichkeiten. Vorbeugend kann Bewegung und eine gesunde Lebensführung mit ausreichend sozialen Kontakten helfen. Der 89-jährige Nobelpreisträger und Gehirnforscher Eric Kandel sagte heuer bei einem Vortrag in Wien: „Never retire“ – also so lang wie möglich geistig und körperlich aktiv bleiben!

Prim. Dr. Peter Mrak, LKH Weststeiermark, Abteilung für Innere Medizin, Voitsberg.  | Foto: privat
Autor:

Florian Heckel aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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