Kriegsende
Neustart aus den Trümmern

Die Barmherzigen Schwestern gingen nicht nur mit Feuereifer an die Aufräumungs- und Aufbauarbeiten von Kirche und Kloster in der Grazer Mariengasse heran, sondern bildeten auch mit Feuerwehruniformen einen Löschtrupp. | Foto: Archiv
  • Die Barmherzigen Schwestern gingen nicht nur mit Feuereifer an die Aufräumungs- und Aufbauarbeiten von Kirche und Kloster in der Grazer Mariengasse heran, sondern bildeten auch mit Feuerwehruniformen einen Löschtrupp.
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Die steirische Kirche am Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945.

Noch in den letzten Kriegsmonaten hatte die steirische Kirche mehrere Blutzeugen zu beklagen, die von der grausamen NS-Diktatur wegen ihres politischen Widerstands getötet wurden: Pfarrer Heinrich Dalla Rosa (geb. 1909) von St. Georgen bei Obdach wurde am 24. Jänner 1945 in Wien hingerichtet. Die Franziskaner Kapistran Pieller (geb. 1891) und Angelus Steinwender (geb. 1896) wurden drei Wochen vor Kriegsende (15. April) in Stein an der Donau erschossen.
Russische Soldaten töteten am 25. März die Steyler Missionsschwester Caeliane Klaminger (geb. 1919) aus Ponigl bei Weiz, nachdem sie vergewaltigt worden war, und am 21. April in Mistelbach den Salvatorianer Titus Helde (geb. 1905), der in Graz studiert hatte. Die Novizin der Vorauer Schwestern, Maria Margareta Krückl (geb. 1918), wurde wegen ihres Widerstandes gegen eine Vergewaltigung am Weißen Sonntag von Russen ermordet. Der gebürtige Grazer Josef Ritter von Gadolla (geb. 1897) wurde am 5. April standrechtlich erschossen, weil er die Stadt Gotha in Thüringen vor der Bombardierung bewahrt hatte.

KZ und Gefängnis. Schwer gezeichnet kehrten die Priester, die in den Konzentrations- oder Arbeitslagern und Gefängnissen festgehalten worden waren, in ihre Heimat zurück. Der Seckauer Benediktiner Athanasius Gerster (geb. 1877) war am 15. März im Gefängnis von Bayreuth verhungert. Manch einer der eingekerkerten Priester, wie Pfarrer Franz Tonitz (geb. 1882) aus St. Martin im Sulmtale, erlag im Laufe des Jahres 1945 den schweren Drangsalen eines Gefängnisaufenthaltes.

Zerstörung und Opfer. Besonders seit November 1944 kamen Gotteshäuser oder kirchliche Gebäude durch die Bombardierungen in erschreckendem Ausmaß zu Schaden. In Graz wurden die Kirchen der Barmherzigen Schwestern in der Mariengasse und der Dominikaner am Münzgraben sowie die Ostseite des Bischofspalais völlig zerstört, die Stadtpfarrkirche und ihre Seitenkapelle sowie die Franziskanerkirche schwer beschädigt.
Die Luftangriffe forderten zahlreiche Todesopfer. Die Priester erhielten den Auftrag, den in die Luftschutzräume geflüchteten Gläubigen die Generalabsolution zu erteilen.
Beim Einmarsch der Russen am 8. Mai 1945 in Graz kam es zu Plünderungen und Besetzungen. Eklatante Spuren der Zerstörungswut zeigten sich etwa beim Stift Rein oder beim Knabenseminar. Eine beträchtliche Zahl von Frauen und Mädchen wurde Opfer von Vergewaltigungen. Pfarrhöfe boten Gefährdeten einen sicheren Schutz.
Dankgottesdienst. Bischof Ferdinand Pawlikowski ließ in allen Pfarrkirchen am Dreifaltigkeitssonntag einen Dankgottesdienst „für die Beendigung des Krieges“ feiern: In seinem ersten Hirtenschreiben, das er am Herz-Jesu-Fest (8. Juni 1945) verfasste und welches den „Wiederaufbau der Heimat“ thematisierte, dankte er Gott, „dass das blutige Ringen aufgehört hat“. Der Bischof mahnte, die vielen Österreicher, „die für die Heimat ihr Leben hingeben mussten“, nicht zu vergessen. Ohne die nationalsozialistischen Machthaber direkt beim Namen zu nennen, erinnerte er an „sieben Jahre schwerster seelischer Prüfungen“: Die Rolle der Kirche interpretierte er als eine verfolgte: „Glaube und Kirche waren in diesen Jahren vielfacher Verleumdung, Entstellung und Verfolgung ausgesetzt“.

Neue Freiheit. Pawlikowski betonte auch die hohe Bedeutung der für den Glauben wiedererlangten Freiheit: Gottesdienste, Feiertage, Wallfahrten, Prozessionen und Christenlehren konnten nun wieder abgehalten werden. Er unterstrich, dass die Katholiken „mit ganzer Tatkraft“ mitwirken wollten, „um ein wirklich glückliches Österreich aufzurichten“, und forderte die christliche Liebe ein, welche „auch den Feinden verzeiht“.

Kirchliches Leben. Die 1939 von den Nationalsozialisten geschlossene Theologische Fakultät konnte ab Mitte Juni 1945 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Ein geregelter Religionsunterricht begann mit Herbst 1945, wobei die Kinder dazu angemeldet und wegen des Priestermangels Laienkatecheten angestellt werden mussten. Das Priesterseminar mit Regens Blasius Unterberger (1887–1961) und Spiritual Georg Hansemann (1913–1990) verzeichnete 26 Neueintritte, jedoch war nicht für alle Alumnen Platz. Die Knabenseminaristen mussten sich mit dem provisorischen Gebäude am Lindweg 33 begnügen. Allmählich wurde ab Herbst 1945 die Katholische Hochschulgemeinde im Josefsstift (Leechgasse 24) aufgebaut. Anfang September übernahm Gottfried Puggl (1902–1969) die Caritas, um mit der wiedererrichteten Pfarrcaritas der Not der Nachkriegsjahre zu begegnen.
Die erste Ausgabe des „Sonntagsblatt für Steiermark“ erschien unter Schriftleiter Anton Fastl (1909–1983) am 16. September 1945.
Viele Ordensgemeinschaften konnten noch im Jahr 1945 oder etwas verzögert an ihre ursprünglichen Wirkungsorte zurückkehren und ihre Tätigkeit, wenn auch unter erschwerten Umständen und nach materiellen und personellen Verlusten, wiederaufnehmen.

Michaela Sohn-Kronthaler

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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