Das Jahr 1934 und die Kirche

Barrikaden in Bruck an der Mur zur Zeit der Kämpfe 1934. | Foto: Archiv
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Kämpfe und Bürgerkrieg betrafen im Februar 1934 obersteirische Städte und Graz. Die Rolle der Kirche war ambivalent.

Am 12. Februar 1934, vor 90 Jahren, kam es in Österreich zum blutigen Bürgerkrieg, der eine hohe Anzahl an Toten und Verletzten forderte und im kollektiven Gedächtnis bis zur Gegenwart präsent ist. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem sozialdemokratischen „Republikanischen Schutzbund“, den Heimwehren und der Exekutive des damaligen Dollfuß-Regimes fanden in der Steiermark vor allem in den Industriestädten Bruck an der Mur, Kapfenberg und Leoben sowie im Grazer Raum, hier in Eggenberg und Gösting, statt.

Der Wiener Kardinal Theodor Innitzer (1875–1955) setzte sich einerseits für die Verwundeten und Hinterbliebenen ein und intervenierte für die Begnadigung der zum Tod verurteilten Sozialdemokraten, andererseits bezeichnete er die im Bürgerkrieg gefallenen Soldaten und Polizisten als „Helden“, welche „das Unheil von den Altären abgewehrt“ hätten. Am 15. Februar 1934 rief der Erzbischof eindringlich „alle Österreicher ohne Unterschied der Partei, der Religion und sozialen Stellung“ zum Frieden untereinander auf und flehte sie an, „dem Kampfe Einhalt zu tun und die Hand zu bieten zum Frieden“.

Die Bischöfe, darunter der steirische Oberhirte Ferdinand Stanislaus Pawlikowski, mahnten eine Woche später – die gemeinsame „Kundgebung“ wurde von Kardinal Innitzer im Radio verlesen – Frieden und Eintracht ein und forderten, „daß jene gesellschaftlichen Verhältnisse, die wahre Wohlfahrt in manchen Arbeiterständen nicht aufkommen lassen, planmäßig geändert werden“ müssten. „Alle Schichten der arbeitenden Bevölkerung müssen volle gesellschaftliche Gleichberechtigung und Würdigung erlangen.“ Der Wiener Erzbischof ordnete für Sonntag, den 25. Februar 1934, in den Kirchen seiner Erzdiözese einen „Gedächtnisgottesdienst für alle Opfer der letzten Kämpfe“ an.

Die Errichtung des autoritären „Christlichen Ständestaates“ und damit die Ausschaltung des parteipolitischen Pluralismus und somit der Demokratie durch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß wurde nicht nur von den Bischöfen Österreichs begrüßt, sondern auch von einzelnen prominenten Priestern, wie dem Jesuiten und Berater der Christlichen Gewerkschaften, Ferdinand Frodl (1886–1964), oder von katholischen Organisationen gutgeheißen.

Beim Steirischen Katholikentag 1930 sprach auch der spätere Bundeskanzler Dr. Kurt Schuschnigg. | Foto: Diözesanarchiv Graz
  • Beim Steirischen Katholikentag 1930 sprach auch der spätere Bundeskanzler Dr. Kurt Schuschnigg.
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Eine prinzipielle Loyalität gegenüber dem autoritären Dollfuß/Schuschnigg-Regime lässt sich bis in die Pfarren hinein feststellen, zudem gab es organisatorische Vernetzungen. Nach der Ermordung von Dollfuß beim nationalsozialistischen Putschversuch am 25. Juli 1934 wurde dieser zum Märtyrer überhöht. Es wurden Dollfuß-Kirchen, -Kapellen, -Büsten und weitere Denkmäler errichtet (Dollfuß-Kult).

Michaela Sohn-Kronthaler


Wie Pfarrchroniken die Ereignisse beschreiben


Dechant Josef Thyr, Pfarrer von St. Lorenzen im Mürztal in der Zwischen- und Nachkriegszeit, notierte: „Dieses Jahr ist bemerkenswert durch den Versuch, in Österreich eine nationalsozialistische Regierung aufzurichten. Dem versuchten Umsturz fiel der ‚kleine Bundeskanzler‘ Engelbert Dollfuß zum Opfer […].“ Angesichts der politischen Ereignisse im Jahre 1934 stand der pfarrliche Anbetungstag am 10. August unter der Weisung, „dem Vaterland Frieden und Ruhe zu erbitten. Nichts braucht unsere Heimat notwendiger als Ruhe und Frieden. Alle sollten auch beten für den verstorbenen Bundeskanzler und für die im unseligen Bürgerkrieg auf beiden Seiten Gefallenen. Alle sind sie im Tode jetzt friedlich vereint, mögen sich endlich auch die Lebenden in christlicher Liebe friedlich vertragen.“

Stadtpfarrer Florian Plaschg von Kapfenberg-St. Oswald erinnerte an das nationalsozialistische Bombenattentat im Jahre 1934: „Dieses Jahr brachte viel Unruhe in den Ort. Am 12. Febr[uar] machten die Sozialisten einen blutigen Aufstand, der hier mehreren Menschen das Leben kostete. Am 24. Juni fiel Kaplan Franz Eibel einem unaufgeklärten Anschlag zum Opfer, daß die Juli-Unruhen in Kapfenberg sich gar nicht bemerkbar machten. Vielleicht hat Kaplan Eibel dies den geliebten Kapfenbergern im Himmel erfleht!“

Pfarrer Heinrich Jirka von Fohnsdorf schrieb: „Der 12. Februar und 25. Juli 1934 blieben abgesehen von einigen Aufregungen erträglich. Niederschmetternd war dagegen das Sprengstoffattentat auf den Pfarrhof in der Nacht des 19. Juli 1934, welches nach allgemeinem Urteil die Nationalsozialisten auf dem Gewissen haben. Kurz vor Mitternacht wurde an der Straße beim Fenster der Rollkammer unter dem Kaplanszimmer ein Sprengkörper zur Explosion gebracht, welcher eine verheerende Wirkung verursachte. […] Möge Gott den Übeltätern verzeihen!“

In der Pfarrchronik Fohnsdorf ist die Zerstörung im Pfarrhof auch fotografisch festgehalten. | Foto: Diözesanarchiv Graz
  • In der Pfarrchronik Fohnsdorf ist die Zerstörung im Pfarrhof auch fotografisch festgehalten.
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Regimekritische Stimmen

Auch aus der Kirche kamen Proteste gegen die autoritäre Dollfuß-Regierung.

Innerhalb des Klerus fanden sich auch regimekritische Stimmen. Dazu zählte der Lebensreformer und vierfach promovierte Grazer Theologieprofessor Johannes Ude (1874–1965). Dieser warf dem „Christlichen Ständestaat“ Justizmord am sozialdemokratischen Gewerkschaftssekretär Josef Stanek (1883–1934) vor, der am 17. Februar 1934 nach dem Bürgerkrieg zum Tod verurteilt und aufgrund des Standrechtes noch am selben Tag hingerichtet worden war.

Der Generalpräses der Christlichen Arbeiterbewegung, Rudolf Hausleithner (1892–1957), verurteilte die Bestrebungen, „in Österreich einen faschistischen Staat aufzurichten“. Funktionäre aus der christlichen Arbeiterschaft, wie Leopold Kunschak (1871–1953) und Johann Staud (1882–1939), suchten Wege der Zusammenarbeit mit den Freien Gewerkschaften und sozialdemokratischen Arbeitern. Der Wiener katholische Intellektuelle Ernst Karl Winter (1895–1959) bemühte sich vergeblich, mit den Sozialdemokraten eine Basis in der Abwehr des Nationalsozialismus zu finden („Aktion Winter“). Bundespräsident Wilhelm Miklas (1872–1956) äußerte eine Woche nach den katastrophalen Februarkämpfen 1934 in einem persönlichen Bericht vor den Bischöfen seine Bedenken gegenüber dem Regierungskurs von Dollfuß. Ebenso kritisierte die Bischofskonferenz in ihrer „Denkschrift“, wahrscheinlich bereits im Herbst 1933 verfasst, die staatliche Jugenderziehung nach faschistischem Vorbild und auch die ausgehöhlten Bestimmungen über die Sonn- und Feiertagsruhe. Das Verhältnis der Kirche zum Dollfuß-Nachfolger Kurt Schuschnigg (1897–1977) wurde nüchterner.

Dass die katholische Kirche mit dem damaligen autoritären Dollfuß/Schuschnigg-Regime (1933/34–1938) eng verbunden war, dieses weitgehend stützte bzw. sich zu diesem auch teilweise ambivalent verhielt, bedarf einer kritischen und eingehenden Erforschung, die in Umfang und Tiefe noch weiterzuführen ist.

Michaela Sohn-Kronthaler

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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