Familie
Demenz eine Stimme geben

Eine Demenzerkrankung ist nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern insbesondere für die Angehörigen eine starke Belastung. | Foto: pixabay
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  • Eine Demenzerkrankung ist nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern insbesondere für die Angehörigen eine starke Belastung.
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Es hilft, mit anderen über die eigenen Gefühle zu sprechen.

SALZ bietet Angehörigen von Demenz-erkrankten Gesprächsmöglichkeiten an, um über die eigenen Erfahrungen und Gefühle sprechen zu können. Hier eine Erfahrung:
Der hauptsächliche Beweggrund, uns um eine Selbsthilfegruppe zu bemühen, war Amalia (Mutter von Helmut, geb. 1923).

In der Gruppe SALZ von Claudia Knopper und ihrem Team konnten wir offen und wertfrei unsere Probleme offenlegen. Viel aufgestauter Druck konnte dadurch entschärft werden. Wie bei einem Kelomat. Wir haben von anderen Schicksalen erfahren und dabei erkannt, dass es einem „eh noch gut geht“.
Wir haben aber auch erfahren, was einem noch bevorstehen kann. Ein Sprichwort sagt: Aus Erfahrung wird man klug! Aus der Erfahrung mit Lösungsmöglichkeiten der anderen Teilnehmer konnten wir manche Situationen leichter meistern. Umgekehrt haben unsere Erfahrungen anderen Betroffenen geholfen.
Persönliche Sichtweisen, Einstellungen zum eigenen Verhalten mit den Erkrankten und das Aufzeigen von persönlichen Grenzen, die im regen Austausch offengelegt werden, helfen uns, einen Abstand zu bekommen und die Situation neu zu sehen.

Man verlässt die Gruppe oft mit dem Gefühl, erleichtert zu sein, einen neuen Blickwinkel kennen gelernt zu haben und somit einen positiveren Aspekt für die zukünftigen Herausforderungen mitzunehmen. Inzwischen hat sich Ingeborg (Mutter von Elisabeth, geb. 1928) auch in den Kreis der „kreativen Alten“ eingereiht.

Helmut und Elisabeth Edelsbrunner

SALZ – Steirische Alzheimerhilfe
Wir sind Angehörige, die selber die Erfahrung gemacht haben, was es bedeutet, einen Menschen mit Demenz zu begleiten. Wir tauschen uns daher in gemütlichen Gesprächsrunden aus, geben Tipps weiter und machen uns gegenseitig Mut.

Jede Gesprächsrunde beginnt mit einem kurzen Wissensinput über Themen, die bei einer Demenzerkrankung sehr relevant sind. Danach hat jeder die Möglichkeit, so viel zu erzählen und zu fragen, wie er möchte. Die Gesprächsrunden sind für alle Angehörigen kostenlos und unverbindlich. Es gibt sie in Graz, Gratwein. Leibnitz, Leoben, Voitsberg, Weiz, Liezen, Hartberg und als online-Termine.

Infos: www.steirische-alzheimerhilfe.at oder telefonisch unter 0676 45 20 400.

Da und doch so fern 
Vom liebevollen Umgang mit Demenzkranken
Pauline Boss, 32 Euro
Verlag rüffer&rub

Oft übernehmen Angehörige jahrelang die Betreuung einer an Demenz erkrankten geliebten Person, die physisch zwar präsent, psychisch aber abwesend ist. Gerade dieser „uneindeutige Verlust“ ist schwer zu verkraften. Mit Empathie und didaktischem Geschick geht die Psychotherapeutin Pauline Boss auf die Anliegen der Angehörigen ein und hilft ihnen zu akzeptieren, dass sie nicht alles unter Kontrolle haben müssen und auch negative Gefühle und Trauer zulassen dürfen.

Zum Nachdenken

Nachbar in Not
Meine Mutter steht am Balkon und schreit um Hilfe. Die Pflegerin habe ihr etwas angetan. Die Nachbarn hören sie schreien. Meine Mutter ruft nach der Polizei, die Nachbarn rufen meine Tante an, die wiederum mich anruft. So unlängst geschehen im Hause Rosegger.

Ich finde es schön, dass jemand meine Mutter gehört und sich um Hilfe bemüht hat. Das gibt mir Hoffnung. Denn unsere Nachbarn hätten nichts tun „müssen“. Wie verhalte ich mich, wenn ich das Gefühl habe, mein Nachbar braucht Hilfe? Habe ich Angst, etwas falsch zu machen? Habe ich Sorge, mich in etwas einzu-mischen, was mich nichts angeht?

Verstehen Sie mich nicht zu rasch. Mir geht es nicht um die konkrete Handlung, sondern um die Haltung, in unserer Gesellschaft als Nachbarn – auch im übertragenen Sinn – füreinander da sein zu wollen, gemeinsam ein gutes Leben zu wollen. Als Angehöriger telefoniere ich viel für meine Eltern, ich habe mit Behörden, Kundenhotlines, Energielieferanten oder Gesundheitseinrichtungen zu tun. „Nachbar in Not“ ist da nicht immer gegeben.

Ich denke manchmal an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter: Im Evangelium steht nicht, ob der Mann, dem der Samariter half, gesund wurde. Auch nicht, ob er befugt war
zu helfen und das perfekt bzw. professionell getan hat. Der Samariter sah seinen Mitmenschen und half ihm nach seinen Möglichkeiten. Was wünsche ich mir, um Demenz eine Stimme zu geben, die gehört wird? Den Menschen zu sehen, nicht die Fallnummer.

Peter Rosegger

Der Autor ist Geschäftsführer von Netzwerk Demenz Steiermark.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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