Langer Tag der Demenz - September 2023
Die Stimme erheben

Foto: Vergissdeinnicht

„Demenz eine Stimme geben.“

Unter diesem Leitwort findet heuer der „Lange Tag“ an rund 20 Standorten in der Steiermark statt. Mit den Aktionstagen rund um den Weltalzheimertag am 21. September soll steiermarkweit bewusst gemacht werden, dass Menschen mit Demenz und ihren An- und Zugehörigen ein Platz, eine Stimme mitten in der Gesellschaft gebührt. Schirmherrin des „Langen Tages der Demenz“ in der Steiermark ist Landesrätin Dr. Juliane Bogner-Strauß. Der „Lange Tag“, der in Graz von „Vergissdeinnicht – Netzwerk Demenzhilfe“ 2018 entwickelt wurde, richtet sich gleichermaßen an Betroffene und Angehörige, Professionist/innen und die Öffentlichkeit.

Wer keine Stimme hat, verliert seinen Platz in der Gesellschaft. Mit Betroffenen wird oft nicht mehr gesprochen. Aus Angst, etwas Falsches zu sagen. Manchmal auch in der Meinung, ein Mensch mit Demenz würde eh nichts mehr verstehen. Man spricht lieber mit den Angehörigen über ihn oder sie – so als ob die Person nicht mehr existieren würde. Dabei hat sie lediglich eine Krankheit und ist weiterhin ein Mensch mit Würde.

Aber auch als Angehöriger fühlt man sich oft stimmlos. Meine Eltern sind beide betroffen und ich weiß nicht, wie ich ausdrücken soll, was sich in ihrem Leben verändert. Ich meine nicht simple Fakten, sondern was sich wirklich verändert in unserer Beziehung, unseren Gesprächen, unserer Familie. Und ich fühle mich stimmlos, weil unverstanden – an Kundenhotlines, bei Institutionen, beim Versuch, für unsere Familie einen möglichst guten Weg zu finden. Vielen anderen Angehörigen eines Menschen mit Demenz geht es ebenso.

Stimmlos sind wir jedoch oft auch als Gesellschaft. Viele Betroffene und mit ihnen ihre Angehörigen ziehen sich aus Scham zurück. Sie haben Angst, in der Öffentlichkeit Fehler zu machen oder etwas Unpassendes zu sagen. Sie haben Angst, verurteilt und stigmatisiert zu werden. So verlieren sie viele soziale Kontakte, die ihnen Halt gegeben haben. Soziale Isolation ist einer der Hauptgründe für einen schnelleren Verlauf von Demenz.

Niemand muss sich schämen
Für viele Institutionen, auch im Gesundheitswesen, sind Menschen mit Demenz eine Herausforderung, die Strukturen an ihre Grenzen führen. Weitere aktuelle Fragen, wie der Personalmangel in verschiedenen Bereichen, tun ihr Übriges dazu, die Versorgungskette für Betroffene und Angehörige zu dehnen. Aber die Kette wird auch für jene brüchig, die sie in ihren verschiedenen Professionen in Medizin, Pflege, Therapie oder Verwaltung tragen.

Es ist wichtig, darüber zu sprechen, Angst, Scham und Tabu von der Krankheit zu nehmen. Niemand braucht sich zu schämen, weder für Unwissen noch für Fehler noch für Überforderung. Und es ist wichtig, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die helfen, die Lebensqualität für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zu verbessern und ihre Versorgung bedürfnisorientiert zu stärken.
Demenz eine Stimme zu geben bedeutet daher, unsere Gesellschaft zu sensibilisieren und zu verändern, dass sich Betroffene und Angehörige, so wie sie sind, integriert und beheimatet fühlen. Es geht darum, unser gemeinsames Haus für sie offen und barrierefrei zu machen – und nicht sie für vorhandene Rahmenbedingungen „passend zu machen“.

Peter Rosegger
Geschäftsführer Netzwerk Demenz Steiermark

Weitere Artikel und Termine zum Langen Tag der Demenz finden Sie in der Sonntagsblatt-Beilage: "Langer Tag der Demenz" - hier klicken!

Demenz eine Stimme zu geben bedeutet:

Keine Angst zu haben, darüber zu sprechen, wenn Dinge auf einmal nicht mehr funktionieren, wenn man etwas vergisst oder glaubt, mit einem lieben Menschen „stimmt etwas nicht“. Leider ist nicht immer klar, wie man nun zu einer fundierten Diagnose oder einer adäquaten Behandlung kommt. Gerade im ländlichen Bereich teilen betroffene Familien noch immer mit, dass sie sich allein gelassen fühlen und nur schwer zu passenden Informationen kommen.

Keine Angst davor zu haben, Hilfe „von außen“ anzunehmen. Wenn Hilfe sehr spät gesucht wird, ist das Familiensystem bereits so sehr belastet und ausgereizt, dass Unterstützung von außen im häuslichen Bereich nur mehr schwer integrierbar ist. Gerade in einem frühen Stadium wäre stundenweise Betreuung essenziell. Demenz ist eine Erkrankung, die viele Facetten hat. Neben Medizin, Pflege und Therapie kommen ergänzend auch Fragen betreffend Barrierefreiheit, Finanzen, Mobilität, Recht oder Wohnen hinzu.

Keine Angst davor zu haben, „dass alles ganz furchtbar wird“. Aufgrund der Tatsache, dass Demenz bis heute als unheilbar gilt, ist in nicht wenigen Fällen die Frage ungeklärt, wie es für Betroffene und ihre Angehörigen nach der Diagnose weitergeht. Ein Behandlungsplan, der einzelne Schritte zu medizinischen bzw. therapeutischen Möglichkeiten umfasst, fehlt oft. Zugleich gibt es viele Möglichkeiten, den Verlauf der Krankheit zu verlangsamen und zugleich den Alltag gut bewältigen zu können: medizinisch-technische Dienste wie Diätologie, Ergotherapie, Logopädie oder Psychotherapie helfen, möglichst lange selbstbestimmt leben zu können.

www.langertagderdemenz.at
Auf der Website finden Sie das gesamte Programm in der Steiermark rund um den 21. September, Termine aus den Regionen sowie Informationen über Geschichte, Profil und Anliegen des „Langen Tages der Demenz“.

Info-Telefon:
Netzwerk Demenz Steiermark
Tel. 0664 / 8845 5222

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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