Anderl-Kapelle in Vitis
Kapelle erinnert an schweres Zugunglück – und böse Tat

Anderl-Kapelle in Vitis | Foto: Franz Köck
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Kapelle erinnert an schweres Zugunglück – und böse Tat

Im Jahre 1870 wurde die zweigleisige Franz-Josefs-Bahn von Wien nach Prag errichtet. Am 4. November 1875 kam es auf dieser Strecke im Bereich von Schwarzenau zu einem schweren Zugsunglück. Ein Personenzug kam um 0.30 Uhr vom Wiener Franz-Josefs-Bahnhof nach Prag. Es befanden sich 128 Reisende im Zug.

Der für den Streckenabschnitt zuständige Streckenwärter befand sich in einer misslichen wirtschaftlichen Lage und entwickelte daher die Idee, eine Unfallsituation zu provozieren, den Zug vor dem Unfall aber zu „retten“ und so eine hohe Belohnung zu erhalten. Der Bahnwärter löste, nachdem Güterzüge durchgefahren waren, in einer Kurve ein sechs Meter langes Schienenstück aus dem Geleis. Er positionierte sich mit einer Warnleuchte oberhalb der Stelle, ein Stück in Richtung Wien, am Gleis.

Als der Zug kam, war der Nebel so dicht, dass das Lokomotivpersonal die Warnleuchte nicht wahrnahm und an dem Bahnwärter vorbeifuhr. In dem Kurvenbereich kam dann der Zug zur Entgleisung. Die Lokomotive und elf Wagons stürzten über den Bahndamm und nur der letzte Wagon blieb am Gleis stehen. Es gab viele Tote und viele schwer verletzte Personen. Eine behördliche Untersuchung ergab keinen Hinweis auf die Täter und es wurde von einem Anschlag ausgegangen. Der Bahnwärter wurde wegen psychischer Probleme frühpensioniert und mit einer höheren Pension bedacht. Erst nach 35 Jahren gestand der Bahnwärter am Totenbett die Tat. Die Aussage wurde amtlich protokolliert, nicht veröffentlicht und zu den Akten gelegt.

Der im letzten Wagon unverletzt gebliebene Schmiedemeister Anderl aus Vitis stiftete als Dank für seine Rettung diese Kapelle im Pfarrgebiet – die Anderl-Kapelle. Sie wurde vor einigen Jahren von Ortsbewohnern mit Spendengeldern renoviert, wie Pfarrgemeinderat Franz Köck erzählt. Er hat sich intensiv mit der Geschichte des Kleindenkmals auseinandergesetzt.

Vor der Corona-Pandemie wurden bei der Kapelle gerne Maiandachten gefeiert und sie diente als Haltestation bei Wallfahrten der Pfarre Vitis.

„Kapellen – Marterl – Kreuze“ ist eine Kirche bunt-Reihe, in der Geschichten von Kleindenkmälern vorgestellt werden.

Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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