SOMMERSERIE 2021 | Beten mit den Füßen_3: Diözese St. Pölten
Jakobsweg auf Römerpfaden

Blick über den unteren Abschnitt der Wachau bei Dürnstein (Bildmitte) von der Ferdinandwarte aus. | Foto: Leopold Schlager
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  • Blick über den unteren Abschnitt der Wachau bei Dürnstein (Bildmitte) von der Ferdinandwarte aus.
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Der Jakobsweg durchquert von Ost nach West das Bundesland Niederösterreich und auch die Diözese St. Pölten vom Rieder­berg bis St. Pantaleon. In Mautern südlich von Krems vereinigt er sich mit dem Weinviertler Jakobsweg.

In Mautern beginne ich meinen Pilgertag. Einmal um die Kirche – mit dem Pfarrhof aus der Renaissancezeit ein malerisches Ensemble. An der Kirchentüre ein Hinweis: „Die Türe klemmt fallweise – bitte fest anziehen.“ Noch ein Versuch. Nein, die Türe klemmt nicht, die Kirche ist um diese Zeit noch zugesperrt.
Tafeln erinnern an den heiligen Severin, in Mauernischen sind Zitate aus seiner Vita zu lesen. Severin wirkte den größten Teil seines Lebens hier im damaligen Favianis, bald nach seinem Tod zogen die Mönche mit dem Leichnam des Heiligen nach Italien. Von der „cella“ (Kloster) ist nichts erhalten. Umso eindrucksvoller sind die Reste des Kastells, das die Römer im 1. Jahrhundert zur Sicherung der Grenze am Limes anlegten. Die um 1050 errichtete Pfarre Mautern wurde vom Passauer Bischof Altmann dem Stift Göttweig bei dessen Gründung im Jahr 1083 übergeben. Das Kloster auf dem Berg markiert in seiner barocken Gestalt das Ende der Wachau, an deren Anfang liegt – zwei Tagesetappen westwärts – nicht minder dominant das Stift Melk.

Römerstraße in Mauternbach | Foto: Leopold Schlager

Den ersten Pfeil „Österreichischer Jakobsweg“ habe ich bald gefunden, die Straße nach Mauternbach ist von Weingärten gesäumt. Das malerische Örtchen wird für viele Stunden die letzte Ansiedlung sein, die ich durchquere. Jetzt geht es steil bergan, zum Glück im angenehmen Schatten des Waldes. An einer Stelle ist der Untergrund freigelegt: Blanke Granitbrocken, die bei genauerem Hinsehen zwei parallel verlaufende Rillen erkennen lassen. Es handelt sich um Fahrrinnen von Pferdewagen. Hier verlief also eine Römerstraße. Zu deren Rudimenten gehört wohl auch eine „Römerbrücke“ mitten in den Feldern unweit von Mauer bei Melk.
Nach gut einer Stunde ist die erste Anhöhe erklommen. Ein Pfeil weist zur Ferdinandwarte. In wenigen Minuten erreiche ich den Felsvorsprung mit unvergleichlichem Ausblick über das Donautal – Stift und Ruine Dürnstein, Loiben, Krems und schon hinein ins Weinviertel. Kultur genießt man hier aus der Ferne, unterwegs habe ich Natur pur.

Wer immer hier ankommt, hat viele Gründe zu beten und auch zu danken für den großen Einsatz vieler Menschen im Dienst an Gesundheit und Leben anderer.

Zurück an der Abzweigung geht es an Feldern entlang, teilweise am Waldrand. Ein Blick zurück lohnt sich. Wie auf Wäldern ruht das Stift Göttweig – bis ich selbst in den Wald eintauche. Wohltuende Kühle. Kaum einmal ein Mensch, einmal ein Auto, einige Radfahrer. Mir fällt der norwegische Weltenbummler Erling Kagge ein, der ein Buch über „Stille“ schrieb. Er war an beiden Pole und bezwang den höchsten Berg. Am Südpol sei Stille, schreibt er, am Nordpol dagegen gar nicht, es sei laut, unentwegt krache es im Eis. Doch auch dieser Wald mit seinen mächtigen Lärchen ist ein Reich der Stille.

Was macht diesen Wald mitten in Niederös­ter­reich so besonders? Liegt es daran, dass der Dunkelsteinerwald zur Böhmischen Masse gehört und er somit ein Stück vom „mystischen“ Waldviertel ist, nur eben südlich der Donau? Möge dieses „Welterbe“ erhalten bleiben!

Ein Blick auf das Stift Göttweig | Foto: Leopold Schlager

Das Gehen hier ist eine Übung der Achtsamkeit – ich will ja nicht über Steine oder Wurzeln stolpern oder in eine Pfütze steigen. Dafür ist das Gehen auf dem nachgiebigen Boden eine Wohltat. Achtsamkeit verlangt auch die Markierung des Weges, die prinzipiell gut ist. Einmal gehe ich einen Fahrweg entlang, bis ich feststelle, dass ich schon lange keine Markierung gesehen habe. Auf dem Rückweg finde ich sie an einem etwas abseits stehenden Baum, und der Jakobsweg zweigt recht unauffällig in einen Fußweg ab. „Der Pilger hat genug damit zu tun, den richtigen Weg zu finden“ – dieser Satz könnte von Paulo Coelho stammen; ich bin mir nicht ganz sicher. Coelho ging selbst den spanischen Camino, sein Buch über diese spirituelle Erfahrung wurde ein Bestseller. Der Meister pointierter Kurztexte ist auch Initiator des Jakobswegs von Göttweig nach Melk. Auf stelenartigen Tafeln am Jakobsweg entlang der Wachau gibt er Anregungen zu Pilgerexerzitien.

Das „Rote Kreuz“ muss wohl der Mittelpunkt dieses Waldes sein. Sicher diente es früher auch als Orientierungspunkt. Eine Frau hat hier eine Reifenpanne. Egal in welche Richtung – eine Stunde wird sie ihr Rad wohl schieben müssen. Aber es gibt einen Tisch, den ich für eine kurze Rast mit einer Studentin teile, die eigens zum Lernen hierher gekommen ist. Von hier aus wäre es nicht weit zum Seekopf, einer bei Kletterern beliebten Felsformation mit weiter Rundumsicht. Diese Versuchung schlage ich aus.

Das „Rote Kreuz“ tief im Dunkelsteinerwald.
 | Foto: Leopold Schlager
  • Das „Rote Kreuz“ tief im Dunkelsteinerwald.
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Gegen Mittag ziehen mächtige Wolken auf. Laut Vorhersage sollte dieser Tag trocken bleiben. Wie weit werde ich kommen? Ich merke, dass ich meinem Zeitplan deutlich hinterher bin. Aber kommt es darauf an? Nach fünf Stunden sehe ich endlich wieder eine Siedlung – Schenkenbrunn. Ob ein Gewitter kommt, frage ich eine Frau. Nein, sagt sie. Vor mir liegen wohl noch zwei Stunden Fußmarsch. Und es geht wieder bergan. Das „Kastlkreuz“ ist mit fast 700 Meter Seehöhe die höchste Erhebung. Der Himmel ist grau. Es fallen erste Tropfen – und dabei bleibt es auch. Das letzte Stück geht es zwischen stehenden und umgestürzten Bäumen auf einem steinigen Waldweg steil bergab. Spät erst erblicke ich durch die Bäume hindurch die Wallfahrtskirche. Zuvor geht es noch ordentlich hinunter und dann nochmals den Hügel hinauf, wie es sich für eine Wallfahrtskirche gehört. Einst leiteten hier die Serviten eine Internatsschule, seit bald 30 Jahren hat die Gemeinschaft der Seligpreisungen im alten Klostergebäude eine Heimstätte.

Heil der Kranken. „Du Heyl der Krancken / Bitt für uns“ steht an zentraler Stelle im Gewölbe der Kirche – ein Wallfahrtsort wie geschaffen für Zeiten wie diese. Wer immer hier ankommt, hat viele Gründe zu beten und auch zu danken für den großen Einsatz vieler Menschen im Dienst an Gesundheit und Leben anderer seit dem Beginn der Corona-Pandemie. „Fürbitten heißt, jemandem einen Engel schicken“ – dieses Wort von Martin Luther hatte ich noch am Morgen auf einem Kalenderblatt gelesen. Dass die Fürsprache Marias geholfen hat und hilft, bekunden auch viele Votivgaben im nunmehrigen Wallfahrtsmuseum.

Langegg: Maria, heil der Kranken | Foto: Leopold Schlager

Hier beende ich meinen Tag auf dem Jakobsweg. Ein Autobus geht am späteren Nachmittag noch zurück in die stärker vernetzte Welt. Über die Ruine Aggstein und das ehemalige Kartäuserkloster Aggsbach, Schönbühel an der Donau (früher ebenfalls ein Servitenkloster) und Gerolding führt der Weg bis Melk – dem fernen Ziel in Santiago entgegen.

Kultur am Weg

Mautern an der Donau: Die Reste der Westmauer und eines Rundturms lassen die Ausdehnung des römischen Kastells aus dem 1. Jhdt. n. Chr. erahnen; heute Römermuseum. In Mautern lebte Severin († 482), einer der frühchristlichen Heiligen Österreichs. Severin-Stationen auf dem Mauterner Kulturweg und Texte aus der Eugippius-Vita in Mauernischen erinnern an ihn. Die Pfarrkirche ist dem heiligen Ste­phan geweiht – ein Verweis auf historische Verbindungen zu Passau. Pfarrhoffassade aus der Renaissance.

Auf dem Weg: Die Hügel der „Sechs Grä­ber“ bei Schenkenbrunn werden als Kelten- oder Illyrergräber gedeutet. Jüngeren Datums ist eine Mondskulptur.

Maria Langegg: Um 1600 wurde eine Kapelle errichtet; die „Ursprungskapel­le“ ist ein Rest dieser älteren Kirche. Wegen der vielen Pilger in Pestzeiten wurde im 17. Jhdt. die heutige Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Geburt errichtet (Scheinarchitektur; Gemälde von Johann Adam Mölk). Serviten betreuten bis 1974 die Wallfahrer und führten eine Internatsschule. Seit 1993 wirkt hier die Gemeinschaft der Seligpreisungen. Sehenswert: Klostermuseum mit der barocken Bibliothek und Schatzkammer.
[Besonderes Highlight: ein Kupferstich des Halleyschen Kometen.]

Tipps

  • Die Dunkelsteinerwald-Etappe gilt als anspruchsvoll. Von Göttweig bis Melk sind es knapp 50 Kilometer. Pilgerquartiere gibt es in Paudorf, Göttweig, Maria Langegg und Melk. Aktuelle Corona-Maßnahmen (3-G-Regel) sind einzuhalten!
  • Mautern ist mit dem Autobus von Krems bzw. Melk (VOR-Linie WL2) oder Herzogenburg aus zu erreichen. Viele Verbindungen verkehren nur an Schul- oder Werktagen; täglich die Nachmittagsverbindung von Maria Langegg nach Mautern bzw. Krems (VOR-Linie 489).
  • Verpflegung: Entlang der Route gibt es nur in wenigen Orten Möglichkeiten, Proviant und Getränke zu kaufen (Mauternbach, Oberbergern).
  • Auskünfte: Pilgerbruderschaft St. Altmann, Tel. 0664/63 46 176.
Autor:

Leopold Schlager aus Niederösterreich | Kirche bunt

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