Am 11. Juli 1992 verkündet
30 Jahre Dienst von Ministrantinnen

Foto: Wolfgang Zarl

Die Ministranten-Burschen von Herzogenburg haben abgestimmt – und waren mehrheitlich dagegen, dass Mädchen in den Minis­trantendienst aufgenommen werden. Aber ein Mädchen hat nicht nachgegeben und durfte dann doch Dienst am Altar machen. Das war in den 1970er-Jahren“, berichtet Victoria König, Minis­trantenverantwortliche in der Katholischen Jungschar der Diözese St. Pölten. Sie fand diese Episode in der Diplomarbeit von H. Clemens Maier. Diözesanweit und österreichweit war die Pfarre Herzogenburg damit unter den Vorreitern.

Entscheidung von Johannes Paul II.

Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hatten nur geweihte Buben und junge Männer den Dienst am Altar ausüben dürfen. Mit der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ des Zweiten Vatikanums (1962 bis 1965) bildete sich ein neues Verständnis des Minis­trierens heraus: Diese Aufgabe wird darin als „wahrhaft liturgischer Dienst“ bezeichnet, der eigenständig und nicht von einer Weihe abgeleitet ist.

Am 11. Juli 1992 verkündete Papst Johannes Paul II., dass der Kanon 230 des Kirchenrechtes, der den Zugang zum Ministrantenamt regelt, so zu interpretieren sei, dass auch Mädchen den Dienst vollziehen dürften. Das war die offizielle Erlaubnis. Zu dieser Zeit waren Mädchen im Altardienst in Europa und Nordamerika schon keine Seltenheit mehr. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren – noch im Aufbruchsgeist des Zweiten Vatikanischen Konzils – gab es in Diözesen, wo die Bischöfe es gestatteten, die ersten weiblichen Messdiener. Und das obwohl der Vatikan aktiv, aber erfolglos versuchte, das zu unterbinden. Ein wichtiger Öffnungsschritt war die Neufassung des Kanons 230 im Jahr 1983: Alle Laien – eben nicht nur die männlichen – sollten demnach die Aufgabe wahrnehmen können. Viele Jugendliche hatten sich aktiv für dieses Recht eingesetzt.

Veröffentlicht wurde die Erlaubnis 1994. Der Papst betonte dabei aber, es werde „immer sehr angemessen sein, der edlen Tradition zu folgen, Knaben am Altar dienen zu lassen“.

Victoria König, die selbst auch begeisterte Ministrantin war, schätzt, dass es diözesanweit rund 5.000 Ministrantinnen und Ministranten gibt. Die letzte großangelegte Jungscharstudie aus dem Jahr 2014 zeigte, dass Mädchen und junge Frauen die Mehrheit stellen.

„Die Einführung der Ministrantinnen in unserer Diözese wurde von der Katholischen Aktion (KA), besonders von Präsident Karl Dillinger und der Katholischen Frauenbewegung, gefordert, und bei Bischof Kurt Krenn erreicht“, berichtet KA-Präsident Armin Haiderer. „Die Erlaubnis von Ministrantinnen war bei uns in der Pfarre Gerersdorf-Prinzersdorf hinausgezögert worden, aber dann überhaupt kein Problem. Ich erinnere mich, dass auch die Akzeptanz unter den männlichen Kollegen sofort gegeben war. Das verwundert nicht, waren doch die meisten Ministrantinnen die kleinen Schwestern der älteren Minis­tranten. Wir waren als ältere Brüder oder Verwandte durchaus stolz auf sie“, so Armin Haiderer.

Eine der ersten Ministrantinnen war Katharina Kratochwill aus Kilb, jetzt Generalsek­retärin der Katholischen Aktion der Diözese St. Pölten: „Einmal waren zu wenige Burschen da, deshalb habe ich vor der Erstkommunion mit dem Ministrieren begonnen. Die Älteren haben mich zwar beim ersten Mal herumgeschubst – aber das Ministrieren hat mir dennoch gefallen. Der Dienst, den ich bis zum Alter von 14 Jahren ausgeübt habe, war für mich eine Ehre, und eine schöne Erfahrung!“ Auch Kratochwills Tochter Elena ist Minis­trantin, einmal passierte ihr ein kleiner Fauxpas: „Statt mit Wasser wusch sie dem Priester mit Messwein die Hände.“ Aber lustige Hoppalas gehören zu jeder Ministrantenlaufbahn dazu.

Einst gelitten, heute selbstverständlich

Anna Rosenberger, Vorsitzende der Kath. Frauenbewegung St. Pölten sowie der diözesanen Frauenkommission, erinnert sich: „Es erfüllt mich, die so darunter gelitten hat, dass ich nicht wie mein Bruder ganz selbstverständlich als Mädchen minis­trieren durfte, mit so großer Freude, dass meine Töchter und jetzt auch schon meine Enkelin dies so selbstverständlich tun können. Und diese Selbstverständlichkeit ist ihnen heute nicht ganz bewusst!“ Rosenberger erhofft, „dass diese Selbstverständlichkeit auch für andere, heute noch nicht mögliche Dienste und Berufungen, bald da ist“.

Tausende Ministrantinnen haben mittlerweile in der Diözese den Dienst am Altar absolviert. Eine davon ist Stephanie Seewald aus der St. Pöltner Pfarre St. Johannes Kapistran: „Ich war zwölf Jahre – also zwei Drittel meines Lebens – Ministrantin, da mir diese Gemeinschaft viel bedeutet hat. Ich habe immer sehr gerne an den jährlichen diözesanen Ministrantentreffen teilgenommen. Bei diesen Treffen war der gemeinsame christliche Glaube spürbar – ein Erlebnis.“ Stephanie Seewald wird sich weiter in der Pfarre im Familienkreis engagieren.

Vorbereitung auf kirchliche Laufbahn

Auch die sehr vielen Menschen bekannte Magdalena Ganster – sie ist Pastoralassistentin und Jugendleiterin – war in ihrer Kindheit begeisterte Ministrantin: „Ich habe es sehr gerne gemacht und es hat mich dazu gebracht, in der Kirche mitzudenken und sie näher zu verstehen. Letztlich habe ich dadurch meine kirchliche Laufbahn eingeschlagen.“

Zahllose bekannte Persönlichkeiten haben ebenfalls ministriert: In der höheren kirchlichen Hierarchie ist wohl niemand, der nicht vor seiner Berufung am Altar Dienst gemacht hätte: von Bischof Alois Schwarz über Weihbischof Anton Leichtfried bis hin zu Ordinariatskanzler Markus Heinz.

Der Prior des Seitenstettner Benediktinerstiftes, P. Laurentius Resch, erzählt: „Der Minis­trantendienst war für meine Berufung sehr prägend, deshalb habe ich wohl die pries­terliche Schiene gewählt. Ich war sehr gerne Minis­trant!“ Gerne erinnert sich P. Laurentius noch, wie er als Kind sonntags oft den Berg zur Pfarrkirche St. Georgen/Klaus hinaufmarschierte. Der Sonnenaufgang in der Bergwelt bleibt für ihn ein wunderbares Erlebnis.
Der Vorsitzende des Katholischen Familienverbandes St. Pölten, Markus Mucha, betont: „Mir war als Ministrant immer wichtig, genau zu verstehen, was ich mache. Ich habe auch versucht, das Wissen um die Riten den Jüngeren weiterzugeben.“ Weitergegeben hat er die Liebe zum Ministrieren auch an seine sechs Kinder: alle sechs üben diesen Dienst aus. Muchas Pfarre ist Krems-Lerchenfeld.

Auch im künstlerischen Bereich haben viele ministriert, etwa Kabarettist Josef Hader. Stellvertretend für viele andere Bereiche hat „Kirche bunt“ auch mit Martin Boyer, Landesfeuerwehrkommandant-Stellvertreter, gesprochen: „Ich war ab meiner Erstkommunion bis zur Firmung Ministrant in Großreinprechts. In besonderer Erinnerung ist mir die Sternsingeraktion geblieben, bei der wir Ministranten in drei Ortschaften die Frohe Botschaft überbringen durften und uns dabei durch oft einen Meter hohen Schnee den Weg bahnen mussten.“

Zahlreiche Politiker können auf ein Wirken als Ministrant zurückschauen: etwa der frühere Bundeskanzler Alfred Gusenbauer aus Ybbs oder Innenminister Gerhard Karner. Karner: „Von meiner Erstkommunion bis zu meinem 16. Lebensjahr war ich sehr gerne Ministrant in meiner Heimatpfarre St. Gotthard in der Gemeinde Texingtal. Am meisten in Erinnerung blieb mir das Ratschen oder das Kirchenglockenläuten, das durften wir Ministranten damals noch mit den Glockenseilen tun.“ Besonders erinnern könne er sich auch noch an Wochentagsmessen, bei denen der Pfarrer und er alleine in der Messe waren, und er als achtjähriger Bub alleine für das Volk antworten musste. „Es war eine schöne und abwechslungsreiche Zeit als Ministrant“, so der Minister.

Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf erzählt: „Ich war von 1980 bis 1986 (Ober-)Ministrant in Wieselburg. Besonders gerne erinnere ich mich an die Minis­t­rantenausflüge und auch ans Sternsingen. Spannend war es für uns Burschen, wie wir einmal den Messwein gekos­tet haben.“

Landesrat Ludwig Schleritzko erinnert sich: „Wenn ich an meine Zeit als Ministrant in Mödring zurückdenke, kommt mir eine Geschichte immer in den Sinn: Das Heraufziehen lassen am Glockenseil – es war spannend und lustig. Ich erinnere mich gerne zurück: an eine lustige Zeit, an unbeschwerte Momente.“

Auch ÖFB-Teamstürmer und Hoffenheim-Kicker Christoph Baumgartner erzählt von seinem Ministrantendienst: Der Glaube „ist für mich schon ein wichtiger Teil und auch etwas, das mir Sicherheit gibt“. Baumgartner war Minis­trant und war regelmäßig bei Sonntagsmessen. „Ich bin im Waldviertel im Dorf aufgewachsen, habe den Glauben von Oma und Opa, Mama und Papa in die Wiege gelegt bekommen. Wenn du das über die Jahre so machst, bleibt dir das in einer gewissen Weise.“

„Minis“ wachsen in Pfarren hinein

„Für viele ist es eine große Faszination, vorne am Altar dabei zu sein“, sagt Victoria König. Ministranten erfüllen wichtige Funktionen, „weil sie den Priester unterstützen und Gottesdienste lebendig machen“, so die Jungschar-Vertreterin. Von klein auf würden sie Verantwortung übernehmen und dann oft in die Pfarre hineinwachsen: als Gruppenleiter, Lektoren, Pfarrgemeinderäte. „Die Kinder und Jugendlichen haben als Minis­trantinnen eine bedeutende Rolle!“ Vielerorts sei die Ministrantenpastoral ein Gradmesser für die Pfarren: Wo es ein lebendiges Ministrantenwesen gibt, funktioniert meist auch die Pfarre. Wichtig ist der Jungschar, einen Dank auszusprechen: den Eltern und Gruppenleiter/innen.

Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ