Christian Teissl

Beiträge zum Thema Christian Teissl

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Positionen - Christian Teissl
Unverloren

Man erlebt es immer wieder: Plötzlich zeigen sich haarfeine Risse im Gefüge einer Freundschaft, und man weiß nicht, wie und wodurch sie entstanden sind. Vielleicht war es eine Frage, die ohne Antwort geblieben ist, vielleicht ein unaufgeklärtes Missverständnis, vielleicht eine leise Enttäuschung über eine unterbliebene Geste, ein falsches Wort, ein Zuwenig oder ein Zuviel des Guten. Es lässt sich nicht sicher sagen, man spürt nur – der andere rückt von einem ab, und indem man es spürt oder zu...

  • 19.11.25
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Positionen - Christian Teissl
Ganz Gegenwart

„Begegnung“: ein Wort, oft bemüht und beschworen, ein Leib- und Seelenwort, ein Name für etwas, das wir ersehnen und das uns immer wieder zwischen den Fingern zerrinnt. Dabei war es noch nie so einfach wie heute, zusammenzukommen, wenn schon nicht face to face, dann wenigstens per Distanz, auf einem der vielen digitalen Kanäle. Wo immer man ist, man ist in Kontakt, gibt Nachricht, sendet und empfängt Zeichen aller Art, vom „Ich brauche von dir dies und das“ bis hin zum schlichten „Ich denke an...

  • 08.10.25
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Positionen - Christian Teissl
Weitergeben

Eine Schriftstellerkollegin war gestorben und so machte ich mich auf den Weg nach E., ihrem Heimatort, um von ihr Abschied zu nehmen. Beim Requiem hielt ihr Sohn, inzwischen selbst ein Mann auf der Höhe des Lebens, die Trauerrede, erzählte vom Leben seiner Mutter, von ihrem großen Talent zur Begeisterung, ihrer Fähigkeit, Menschen zusammenzubringen, und schilderte schließlich die letzte, von Krankheit gezeichnete Etappe ihres Lebensweges, auf der er sie begleitet hatte … Strich um Strich, Zug...

  • 27.08.25
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Positionen - Christian Teissl
Schweben

Ein Sommermorgen. Die Nacht über hat es geregnet. Kein Wolkenbruch, kein donnernder Gewitterregen, ein leichter Landregen nur. Nun steigen in rauchigen Schwaden die Morgennebel aus den Tälern auf; Kühle weht durchs offene Fenster. Zwischen den schneeweißen Wolkenbahnen, die kreuz und quer über den Himmel laufen, erscheint die Sonne und vergoldet die Landschaft. Dankbar für jeden ihrer Strahlen, tust du die ersten Schritte tageinwärts – und schon kommt dir alles, was ansteht und keinen Aufschub...

  • 16.07.25
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Positionen - Christian Teissl
Gefallen

„Ein Mensch mit Charisma“, hört man oft und durchaus anerkennend von dem und jenem sagen, von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zumal, die eine starke Wirkung entfalten und es verstehen, eine große Anhängerschaft um sich zu sammeln. Ein Mensch mit solcher Ausstrahlung hat, wie viele Beispiele zeigen, in der Politik leichtes Spiel, mögen seine Argumente noch so schwach, seine Positionen noch so fragwürdig sein. Das Wort „Charisma“ ist dadurch zu einem ambivalenten Begriff geworden,...

  • 04.06.25
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Eine gute Saat

Als sie eines Morgens im Frühsommer des Jahres 1963 auf dem Weg zur Arbeit an den Zeitungskiosken vorüberkam und die Titelseiten mit dem Trauerrand sah, die den Tod von Papst Johannes XXIII. vermeldeten, musste sie mitten auf der Straße stehen bleiben und weinen. So hörte ich einmal eine hochbetagte Frau erzählen; Jahrzehnte später konnte sie sich noch genau an diesen Augenblick der Trauer erinnern. Die Welt von damals ist mit jener von heute nicht zu vergleichen; die Wahrnehmung ist im...

  • 23.04.25
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Positionen - Christian Teissl
Einen Atemzug lang

Sonntagabend in Wien. Ich fahre mit der U4 von der Station Pilgramgasse zur Station Karlsplatz. Ein fremder Mann, ein Mann in meinem Alter, geht durch den Waggon. Er geht von Sitzreihe zu Sitzreihe, bleibt immer wieder stehen und hält die Hand auf: „Ich bin obdachlos.“ Er spricht leise und schnell; man versteht kaum, was er sonst noch sagt. Die Leute um ihn herum verhalten sich unterschiedlich: Manche tun so, als wäre er Luft, manche wenden sich verlegen ab und betrachten ihr Spiegelbild im...

  • 12.03.25
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Positionen - Christian Teissl
Willkommen sein

Von früh bis spät tauscht man Grüße aus, mit vielen verschiedenen Menschen, schriftlich und mündlich, wortreich und wortlos. Manchmal ist es nur ein Blick, den man im Vorübergehen wechselt, manchmal ein freundlicher Wink aus der Ferne, manchmal ein ehrlicher Ausdruck von Überraschung, einander ausgerechnet hier und ausgerechnet jetzt zu begegnen, oder auch von heller, ungetrübter Freude, einander nach langer Zeit wiederzusehen. Es gibt ein Grüßen, das Distanz schafft, und eines, das sogleich...

  • 29.01.25
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Positionen - Christian Teissl
Genug für alle

Freude hat viele Gestalten: Sie kann eine Tür sein, die lange versperrt war und nun mit einem Mal aufgeht; sie kann ein überraschender Anruf sein, genau im richtigen Moment; sie kann ein klärendes Wort sein, das eine Spannung löst, ein Missverständnis beseitigt; sie kann aber auch die Erleichterung sein, ein verletzendes Wort nicht ausgesprochen, einen verheerenden Plan nicht ausgeführt und sich von einer grundfalschen fixen Idee endlich verabschiedet zu haben. Tausend Gesichter hat die Freude...

  • 11.12.24
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Wasser, Wasser

Geheimnisvoll sei das Wasser, sagt Romano Guardini, schlicht, klar und selbstlos, zugleich aber auch unergründlich, rätselhaft und voller Gewalt. Die schreckliche Gewalt des Wassers haben in diesen Tagen viele unserer Landsleute leidvoll erfahren: Häuser wurden überflutet, Dörfer mussten evakuiert werden, Felder verwandelten sich in Seen, kleine Bäche in reißende Flüsse. Und dennoch: die Nähe dieses gefährlichen Elements werden wir nach jeder Katastrophe wieder suchen, immer wieder von Neuem....

  • 18.09.24
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Positionen - Christian Teissl
Lob des Schweigens

Unter all den Worten des Dankes und des Gedenkens für Herbert Meßner, den langjährigen Sonntagsblatt-Chefredakteur, ist mir eines besonders nahegegangen: „Man konnte gut mit ihm schweigen.“ In unserer redseligen Epoche eine seltene Qualität, die kaum wer zu würdigen weiß. Man ist froh, wenn man jemanden gefunden hat, mit dem man gut reden kann, in allen Lebenslagen, offen und ehrlich; nach jemandem aber, mit dem man gut schweigen könnte, hält man gar nicht erst Ausschau. Miteinander schweigen –...

  • 14.08.24
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Positionen - Christian Teissl
Unwiederbringlich

Verliert man seinen Reisepass oder andere wichtige persönliche Dokumente, ist man laut Gesetz dazu verpflichtet, den Verlust zu melden. Dafür gibt es eigene Ämter, Fristen und Formulare. Allerdings: Bei den meisten Verlusten, die man im Laufe des Lebens erleidet, besteht keine Möglichkeit einer Verlustanzeige. Und selbst wenn sie bestünde: Man würde wohl keinen Gebrauch davon machen, ist man sich doch meist gar nicht im Klaren, etwas verloren zu haben. Es sind Verluste, die sich auf vielerlei...

  • 19.06.24
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Positionen - Christian Teissl
Wann wird es Mai?

„markierung einer wende“, so heißt ein Gedicht von Ernst Jandl. Im Rahmen einer Zeitungskolumne kann man es nicht zitieren, nur versuchen, es zu beschreiben. Seine Worte wollen nicht gelesen, sie wollen betrachtet werden; ein Stück visueller Poesie, besteht es nicht aus zwei Strophen, sondern aus zwei Spalten. In der linken Spalte steht unter der Jahreszahl 1944 zwölfmal kleingeschrieben das Wort „krieg“, in der rechten steht obenan die Jahreszahl 1945 und darunter viermal „krieg“, das fünfte...

  • 07.05.24
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Positionen - Christian Teissl
Die übersehene Zeit

Der „Steirische Wortschatz“ von Theodor Unger und Ferdinand Khull, das erste große Wörterbuch der steirischen Umgangssprache aus dem Jahr 1903, enthält mehr als ein Dutzend von Begriffen, die alle mit der Fastenzeit zusammenhängen, wie etwa das Fastenpatent und den Fastenpfenning, Fastenblümel, Fastenbrot und Fastenbretze, das Fastenfarferl (eine Suppeneinlage) und den Fastenveigel (kein Vulgoname, sondern ein altsteirisches Synonym für die Frühlingsschlüsselblume), das Fastenhauen in den...

  • 21.02.24
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Positionen - Christian Teissl
Freude, unverloren

Als ich noch ein Kind war, befiel mich in den ersten Jännertagen eine große, namenlose Traurigkeit. Dass die Weihnachtszeit, diese sehnsüchtig erwartete Festzeit, nun vorbei sein sollte, unwiderruflich vorbei, um erst in einem Jahr wiederzukehren, war für mich nur schwer zu ertragen. Meine kindliche Wunsch- und Traumvorstellung, die Zeit könnte mit einem Mal nach rückwärts laufen, aus dem neuen Jahr könnte wieder das alte werden und gleich nach dem Dreikönigstag käme wieder der Heilige Abend,...

  • 03.01.24
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Positionen - Christian Teissl
Auch Umwege sind Wege

Jemand gehe oder fahre „mit der Kirche ums Kreuz“, sagt man gerne, wenn einer einen weiten Umweg macht, und das will beileibe kein Lob sein. Denn in einer Welt, in der Zeit noch immer Geld ist, zählt nur der kürzeste Weg, gilt der Ehrgeiz, so schnell wie nur möglich ans Ziel zu gelangen, als Tugend. Von einem Routenplaner erwartet man heute für gewöhnlich, dass er einem die einfachste und schnellste Verbindung von A nach B anzeigt, nicht aber jene mit den meisten und schönsten Gelegenheiten,...

  • 08.11.23
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Ein stimmiges Bild

Zu meinem Geburtstag überraschte mich heuer ein guter Freund mit einem besonderen Geschenk: einem Kaleidoskop. Handtellergroß und nur zwei Finger dick, passt es in jede Jacken-, jede Manteltasche, gehört es zu jenem leichten Gepäck, das sich überallhin mitnehmen lässt, auf alle Wege und in alle Lebenslagen. Es ist nicht mit einem bestimmten Zweck behaftet wie die meisten Dinge des Alltags, es hat keine Aufgabe, keine Funktion zu erfüllen wie leider so vieles auf dieser Welt, es hilft einem...

  • 20.09.23
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Positionen - Christian Teissl
Von der Freundlichkeit der Welt

Alltägliche Situationen, wie sie sich tausendfach ereignen, zur selben Zeit, an verschiedenen Orten: Eine Auskunft wird erteilt, eine Anfrage beantwortet, eine Sache geklärt, eine Aufgabe erledigt, ein Kauf getätigt, ein Handel besiegelt, ein Konflikt beigelegt, ein Dank erstattet, ein längst geplantes Telefonat endlich geführt, ein Gespräch im Guten beendet, ein Versprechen eingelöst. Was zu tun war, ist getan, was zu sagen war, gesagt, nun bleibt nur noch eines: Man wünscht einander mit...

  • 14.06.23

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