Positionen - Christian Teissl
Auch Umwege sind Wege

Jemand gehe oder fahre „mit der Kirche ums Kreuz“, sagt man gerne, wenn einer einen weiten Umweg macht, und das will beileibe kein Lob sein. Denn in einer Welt, in der Zeit noch immer Geld ist, zählt nur der kürzeste Weg, gilt der Ehrgeiz, so schnell wie nur möglich ans Ziel zu gelangen, als Tugend. Von einem Routenplaner erwartet man heute für gewöhnlich, dass er einem die einfachste und schnellste Verbindung von A nach B anzeigt, nicht aber jene mit den meisten und schönsten Gelegenheiten, sich zu verirren.

Dass sich das Leben nie an Routenpläne hält und nicht aus Direktverbindungen besteht, sondern aus langen, gewundenen Straßen, davon handelt ein neuer Song der österreichischen Liedermacherin Ina Regen. Sie kennt die Rat- wie die Rastlosigkeit offenbar sehr genau und findet dafür knappe Worte und eindringliche Bilder („Im Kopf a Kreisverkehr,/ Wo kumm i eigentlich her?“), sie weiß um die Angst vor dem Scheitern („Was moch i, wann i die Kurvn mol net kriag?“), lässt sich davon aber ihre Freude am Leben nicht rauben, ihr Urvertrauen nicht nehmen, setzt einfach weiter Schritt vor Schritt in alle Richtungen – „egal, ob obi, auffi, zuwi, dauni, drunter, drüber“ –, und erkundet mit unbändiger Neugierde all die Umwege, die es braucht, um herauszufinden, wer man ist und wohin man eigentlich will.

„Jeder Umweg is a a Weg zu mir“, heißt es voll Zuversicht in dem Refrain des Songs; auch ein Weg, nicht der einzige und nicht der leichteste, wohl aber einer, der einen schließlich ankommen lässt bei sich selbst.

Christian Teissl

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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