5. Sonntag der Osterzeit | 7. Mai 2023
Meditation

Darstellung des Guten Hirten in der römischen Domitilla-Katakombe. | Foto: Archiv
  • Darstellung des Guten Hirten in der römischen Domitilla-Katakombe.
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Trotzdem glauben

In Krisen und schweren Zeiten bietet der Glaube ein wundersames Korrektiv zum Zeitgeist. Heute nämlich suggerieren sämtliche Wissenschaften, von populär bis pseudo, von alternativ bis grenzwertig, dass der Mensch für alles, was ihm widerfährt – Glück, Unglück, Scheitern, Krankheit, Armut – selbst verantwortlich ist und mit der richtigen Lebenseinstellung oder den passenden Körnern im Müsli, dem Atmen im idealen Takt schon alles wieder zum Guten wenden kann.

Aber Trauer lässt sich nicht durch gesunde Kost bewältigen, und Krieg kann man nicht „wegatmen“! Zudem wird in der modernen Gesellschaft alles zum Wettbewerb – vom Ausmisten und Abnehmen bis zum Kochen und Schicksalsschläge-Meistern wird allerorten der Ehrgeiz angestachelt.
Für mich wäre eine Welt ohne Christentum eine entsetzliche Vorstellung. Denn es wäre eine Welt ohne Bergpredigt, ohne verlorenen Sohn und barmherzigen Samariter, ohne Auferstehung und Vergebung und ohne den guten Hirten.

Ich weiß, wer an den guten Hirten glaubt und das öffentlich zugibt, wird oft selbst für ein einfältiges Schaf gehalten. Also für ein unreflektiertes, konformistisches, schlichtes Herdentier. Als Glaubender muss man ja immer das eine oder andere Trotzdem vorbereitet haben, um sich in antireligiösen Kreisen entsprechend rechtfertigen zu können. Am besten, man entschuldigt sich gleich für alles, was in der Kirchengeschichte schief- gelaufen ist, ganz so, als hätte man Kreuzzüge und Inquisitionen selbst angeordnet. Dabei lässt sich die Institution Kirche mit einer musikalischen Metapher ganz plausibel darstellen. Ein unbegabter Interpret oder ein schlechtes Orchester können die genialste Partitur komplett verhauen. Das ändert aber gar nichts an der Qualität der Partitur!

Ich bin jedenfalls dankbar für die Taufe und das Aufwachsen in einer religiösen Familie. Heute bleiben viele Kinder sich selbst überlassen, da die Furcht der Eltern, mit religiösen Angeboten Schaden anzurichten, groß ist, viel größer als ihre Skrupel, was Namensgebung, Ernährung, Schulwahl oder Freizeitgestaltung ihres Nachwuchses angeht. Alles soll dem modernen Kind offenstehen, bis hin zu geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung, nur die Tür zum Glauben wird vorsichtshalber schon von Beginn an zugemacht.
Wie schade ich das finde.

Andrea Sailer beim Pilgergottesdienst der Weizer Pfingstvision am 30. April

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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