27. Sonntag im Jahreskreis | 3. Oktober 2021
Meditation

Foto: Aaron Burden/Unsplash

Das Sonnenblumen-Lied

Ich liebe Sonnenblumen. Sie bringen etwas Strahlendes, Leuchtendes in den Garten und ins Haus. Vor einigen Jahren habe ich zwei Sorten gesät: eine großblütige in sattem Gelb mit einem starken Stiel, an die zwei Meter hoch. Und eine verzweigt blühende in Dunkelrot. Als sie gerade aufgeblüht waren, kam ein starkes Gewitter mit heftigen Windböen und intensivem Regen. Die Folgen waren fatal: Nur die großen Gelben haben es überlebt. Die Roten lagen alle geknickt am Boden, ein Trauerspiel. Trotzdem ließen sich einige nicht vom Weiterblühen abhalten – jetzt halt eher waagrecht. Und so passierte es: Die beiden Sorten kreuzten sich.
Letztes Jahr gingen jede Menge Sonnenblumen auf mit verzweigten rot-goldenen Blüten und kräftigen Stängeln. Sie überstanden alle Stürme und blühten den ganzen Sommer bis in den Herbst hinein, dass es eine Freude war. Ein Fest für Bienen, Hummeln und andere Insekten. Und für die Vögel im Winter reichlich Futter. Ich bin schon neugierig, welche Überraschung heuer herauskommt.
Sonnenblumen sind zu allen Tageszeiten etwas Besonderes: In der Morgensonne mit Tautropfen, zu Mittag, wenn sie ihre Köpfe Richtung Süden drehen, oder in der untergehenden Abendsonne, wenn die Farben noch satter werden. Dann summe ich manchmal leise den „Sonnengesang“ vor mich hin: „Laudato si’, o mi Signore …“ In Italienisch klingt es besser als in Deutsch: Gelobt seist du, mein Herr.
Der heilige Franz von Assisi hat den „Sonnengesang“ im Winter 1224/25 in San Damiano bei Assisi gedichtet, wo seine Gefährtin Klara mit ihren ersten Klarissen lebte. Franz war schon schwer krank. 1226 starb er. Im „Sonnengesang“ preist er die Schönheit der Schöpfung und dankt Gott dafür. Die Strophe, die er der Sonne widmet, passt perfekt zu den Sonnenblumen. Auch wenn er vom „Bruder Sonne“ spricht, weil die Sonne im Italienischen ja männlich ist: Die Sonne schenkt uns den Tag. Und Gott leuchtet uns durch sie, strahlend und mit großem Glanz.
Jede Sonnenblumen-Blüte ist ein Sinnbild dafür. Und erfüllt mich mit großer Dankbarkeit für so viel Schönheit, die mehr oder weniger gratis vor meiner Haustür wächst und blüht. Gratis, nicht umsonst. Denn in „gratis“ (gratia) steckt das „unverdiente Geschenk“. Wer denkt, dankt. Laudato si’ …

Elisabeth Rathgeb
aus: Kopfsalat mit Herz. Eine spirituelle Entdeckungsreise durch den Garten, Tyrolia Verlag, 2021.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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