23. Sonnntag im Jahreskreis | 5. September 2021
Meditation

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Wie ein ruhiges Wasser

Eine hilfreiche Methode zur Selbsterkenntnis und gleichzeitigen Vertiefung der Gottesbeziehung kreierte lgnatius von Loyola im 16. Jahrhundert.
Er empfiehlt den Übenden auf ihrem geistlichen Weg das abendliche „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“. Er nennt es die wichtigste Viertelstunde am Tag.

Diese tägliche Gewissenserforschung oder innere Tagesschau hilft uns, in der liebenden Beziehung zu uns selbst, zu anderen Menschen und zu Gott zu wachsen und achtsamer zu werden für die Feinheiten und Zwischentöne des Lebens, der Liebe wie des Leidens in uns, in unseren Beziehungen und in der Welt.
Es ist ratsam, einen bestimmten Ort und bestimmte Worte als Einstieg zu wählen. Das hilft meiner Seele, wie ein Gewässer ruhig zu werden, damit sich der Tag darin spiegeln kann.

Ich stelle mich bewusst vor Gottes Liebe und Licht und versuche zu spüren: Gott ist mit mir, in Gott lebe ich und bewege ich mich. Dann gehe ich den vergangenen Tag Stunde für Stunde durch, lasse ihn ablaufen wie einen Film, erinnere mich, verinnerliche diese Zeit noch einmal. Ich bewerte und beurteile die verschiedenen Begebenheiten zunächst nicht, schaue sie nur mit wohlwollenden Augen an.

ln einem weiteren Schritt versuche ich meine inneren Bewegungen, Gefühle, Taten, Stimmungen und Stimmen zu prüfen. Ich nehme die positiven wie negativen Bewegungen wahr: Freude und Trauer, Ungeduld und Glück, Ärger und Lustlosigkeit, Erfülltsein und Leere. Ich prüfe, in welche Richtung mich das Leben in den letzten Stunden geführt hat. Ich spüre dem nach, wofür ich besonders dankbar bin. Es kann ein Danken sein für die Gesundheit, für eine besondere Begegnung, für die Sonne oder den Regen, für die Arbeit oder eine bestimmte gewonnene Einsicht. Ebenso nehme ich wahr, was mich beunruhigt und was das Wasser meiner Seele trübt: vielleicht ein Streit, ein gehässiges Wort, eine Unklarheit, eine Unaufmerksamkeit oder Missverständnisse. Und ich bitte um das, was ich brauche oder was andere brauchen, um den Tag versöhnt loslassen zu können: Frieden, Segen, Licht und Liebe. Danach stelle ich mir vor, den Tag in eine Schale zu legen und Gott zu übergeben.
Und so wie jede Nachrichtensendung mit der Wettervorhersage endet, empfiehlt lgnatius am Ende vorauszuschauen auf die nächsten 24 Stunden und Gott um neue Kraft und neues Licht für den kommenden Tag zu bitten.

Aus: Lukas Niederberger, Kleine Bet-Lektüre, Topos Taschenbücher, 883

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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