20. Sonntag im Jahreskreis | 20. August 2023
Kommentar

Wo Glaube ist, da geschieht Heilung

Es steckt meistens keine böse Absicht dahinter, wenn jemand abweisend oder beleidigend mit einem Menschen umgeht, der mit einem Anliegen an ihn herantritt. Eher ist es ein Symptom von Stress und Überforderung, der ungeschickte Versuch, sich abzugrenzen und vor Ausnützung zu schützen. Wenn alles zu viel wird, was von mir erwartet oder gefordert wird, dann reagiere ich gereizt, und meine Unzufriedenheit entlädt sich oft donnernd an Menschen, die gar nichts dafür können.

Offenbar hat auch Jesus solche Situationen gekannt. Wir erleben ihn hier von einer sehr ungewöhnlichen Seite. Es ist geradezu schockierend, wie lieblos und erniedrigend er mit der kanaanäischen Frau verfährt, die als besorgte Mutter in einer existenziellen Notsituation zu ihm kommt. Da ist von jener Güte, Empathie und Barmherzigkeit, die uns als Wesensmerkmale Jesu vor Augen stehen, nichts zu erkennen. Anscheinend stößt auch er an die Grenzen seiner Kräfte. Überall, wo er auftaucht, strömen Menschen zusammen, die geheilt werden wollen. Vielleicht hat ihm auch die vorausgehende Auseinandersetzung mit Schriftgelehrten zugesetzt. Jedenfalls zieht er sich zurück und sucht Ruhe.

Die Begegnung mit dieser Mutter verlangt auch die Korrektur eines weiteren Bildes, das wir von Jesus haben. Der Sohn Gottes ist nicht in jeder Lage souverän und unfehlbar. Er lernt von dieser Frau, weitet seinen Horizont, ja lässt sich von ihr bekehren. Es zeigt sich: nicht die Zugehörigkeit zu einem Volk, nicht die Religion, sondern allein der Glaube führt zum Heil und zur Heilung.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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