10. Sonntag im Jahreskreis | 11. Juni 2023
Kommentar

Weil du geliebt bist, kannst du gut sein

Wie schnell passiert es in unseren Gemeinschaften – auch in der Kirche –, dass wir Menschen aufgrund ihrer Verhaltensweisen, ihres Lebenswandels oder einfach, weil sie anders sind, abkanzeln, an den Rand drängen oder ausschließen. Wir treffen ein vernichtendes Urteil über jemanden, ohne uns die Mühe zu machen, seine Lebensumstände und seine Geschichte näher kennen zu lernen, ohne zu verstehen, was ihn zu demjenigen gemacht hat, der er ist. Und wir nehmen ihm damit die Möglichkeit zu einer heilsamen Veränderung, zu einer anderen Erfahrung von Gemeinschaft, die nicht fordert und abgrenzt, sondern annimmt und ermöglicht.

Für Matthäus war die Begegnung mit Jesus ein Schlüsselerlebnis, das sein Leben schlagartig verändert hat, weil sie ganz anders verlaufen ist, als er es erwartet hat. Der Zöllner wurde als Sünder abgestempelt und gemieden. Das Spannende dabei ist: Es ist der Verfasser des Evangeliums selbst, der hier darlegt, wie seine eigene Beziehung zu Jesus, dessen Leben und Wirken er beschreibt, begonnen hat.

Matthäus bekennt hier, dass Jesus in sein Leben getreten ist wie ein Arzt, der ihn von seiner egoistischen Lebensweise geheilt hat. Bei Jesus hat er keine Ressentiments gespürt, sondern eine unvoreingenommene, einladende Offenheit. Für ihn gilt nicht: „Du wirst geliebt, weil du so gut bist“, sondern: „Weil du geliebt bist, kannst du gut sein.“ Wer sich bedingungslos angenommen und im tiefsten Grund seines Wesens bejaht fühlt, kann auch seine eigenen Daseinsängste überwinden und selbst ein mutig Liebender sein.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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