26. Sonntag im Jahreskreis | 25. September 2022
Kommentar

Gräben überwinden, bevor es zu spät ist

In unserer Welt tun sich so manche scheinbar unüberwindliche Abgründe auf. Zwischen der wohlhabenden „Festung Europa“ und dem viel ärmeren globalen Süden breitet sich das Mittelmeer wie ein menschenverschlingender Abgrund aus. Durch die multiplen Krisen unserer Zeit öffnen sich tiefe Gräben zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Und auch im Zusammenleben einzelner Menschen sind wir mit Brüchen und unversöhnlichen Zerwürfnissen konfrontiert. Sehr oft haben diese Abgründe mit der Unfähigkeit oder mangelnden Bereitschaft, die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen, zu tun. Und sie tragen zur Verfestigung von Unrechtsstrukturen bei.

Von solchen Abgründen erzählt Jesus in der Geschichte, die einen so tragischen und pessimistischen Ausgang nimmt. Der eine genügt sich selbst und zelebriert seinen Luxus, während der andere vor die Hunde geht. Nicht sein Reichtum wird dem ersten zum Verhängnis, sondern seine Ignoranz gegenüber dem Elend des Lazarus, dem er nicht einmal die Abfälle seines Überflusses gönnt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der unüberbrückbare Abgrund sich in der Ewigkeit als Kluft zwischen Himmel und Hölle fortsetzt, dass im Jenseits die einen belohnt und getröstet, andere jedoch bestraft und gepeinigt werden. Ich glaube aber wohl, dass einmal der Zeitpunkt kommt, wo einem Menschen seine Verantwortung in der Welt und auch seine Versäumnisse, seine Uneinsichtigkeit und Ichbezogenheit bewusst werden. Es ist ein Vorgang der Läuterung, der mit seelischen Qualen verbunden ist.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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