30. Sonntag im Jahreskreis | 24. Oktober 2021
Kommentar

Vom Tiefpunkt aus dem Licht entgegen

Die Stadt Jericho liegt nahe am Toten Meer, dem tiefsten Punkt der Erdoberfläche. Jesus hält sich dort auf, er begibt sich an die Tiefpunkte des Lebens. Und er wird dort mit verschiedenen Formen von Blindheit konfrontiert. Da ist der blinde Bartimäus, der um Hilfe schreit. Und da ist die Menge von Menschen, die blind sind für seine Not, die sich von ihm gestört fühlen und ihn zum Schweigen bringen wollen. Sie beanspruchen Jesus für sich allein und möchten unter sich bleiben.

Auch die Kirche ist an einem toten Punkt angelangt. Das sagte der Münchener Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, als er dem Papst seinen Rücktritt angeboten hat. Und auch diese Diagnose steht im Zusammenhang mit einer Blindheit, mit einem schwerwiegenden systemischen Versagen der Amtskirche im Umgang mit der Missbrauchskrise, mit deren Unfähigkeit oder Verweigerung, auf die Not der vielen Menschen hinzuschauen und ihre Schreie zu hören, denen unsägliches Leid zugefügt wurde.

Jesus durchbricht die Mauer der Gleichgültigkeit und Ignoranz und trägt ausgerechnet denen, die Bartimäus mundtot machen wollen, auf, ihn herbeizurufen. Er zwingt sie, ihre Haltung gegenüber diesem Menschen ins Gegenteil zu wenden. Seine eigenen Jünger sind es, die hier bekehrt werden.
Die Begegnung, die dadurch ermöglicht wird, führt den Blinden zum Licht. Und Jesus bricht von diesem Tiefpunkt aus auf nach Jerusalem, wo er in das Dunkel des Todes eintauchen wird, um so die endgültige Verwandlung des Lebens ins Licht der Auferstehung zu vollziehen.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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