Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 035
Wissen über Jesus

Der Stern in der Geburtsgrotte in Betlehem markiert den überlieferten Geburtsort Jesu. | Foto: wmc
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Historische Quellen

Zu den Quellen, die über den historischen Jesus in besonderer Weise Auskunft geben können, zählen zunächst einmal die 27 Einzelschriften des Neuen Testaments, allen voran die Evangelien. Sie genießen höchsten theologischen Rang. Darüber hinaus sind sie jedoch auch in historischer Hinsicht wertvoll. Neben diesen gibt es weitere sehr frühe christliche Schriften, die in der Alten Kirche entstanden sind, in ihr zunächst weit verbreitet und sehr geschätzt waren, dann aber in Vergessenheit gerieten. Da diese zweite Gruppe von Texten über Jahrhunderte hinweg ein Dasein im Verborgenen fristete, bezeichnet man sie als apokryphe Werke (apokryph, griech. für „verborgen“).

Dass christliche Quellen sich insgesamt positiv zur Person Jesu äußern und dabei aus der Perspektive der Gläubigen sprechen, ist vorauszusetzen. Von daher ist es für die Rückfrage nach dem historischen Jesus ausgesprochen vorteilhaft, dass mit den Zeugnissen jüdischer und heidnischer Autoren auch außerchristliche Quellen zur Verfügung stehen. Dazu zählen einmal Quellen aus dem Bereich des Judentums. Zu ihnen gehören das Zeugnis des antiken Historikers Flavius Josephus sowie verschiedene rabbinische Stellungnahmen und eine Aussage des jüdischen Philosophen Mara ben Sarapion. Darüber hinaus sind auch Zeugnisse von römischer Seite überliefert. Zu nennen ist etwa das Zeugnis des Staatsmannes Plinius des Jüngeren (61–120 n. Chr.) sowie das der Schriftsteller Tacitus (55–120 n. Chr.) und Sueton (70–130 n. Chr.). Manche dieser außerchristlichen Zeugnisse hegen gegenüber Jesus eine lediglich verhaltene Sympathie wie Mara ben Sarapion. Andere, wie etwa Flavius Josephus, stehen ihm neutral gegenüber oder beziehen eine offen ablehnende Position, so etwa das Zeugnis der Rabbinen.

Grundsätzlich gilt, dass eine Quelle umso wertvoller ist, je näher sie an eine historische Person oder ein historisches Ereignis heranreicht. Weiter gilt, dass eine Quelle, die aus einer Insiderposition heraus berichtet, in der Regel mehr historisches Material enthält als eine Quelle, die ihren Gegenstand aus einer sehr großen Distanz betrachtet oder ihn gar nur vom Hörensagen kennt. Aufgrund dieser beiden Kriterien spricht man im Fall der Rückfrage nach dem historischen Jesus den deutlich älteren sowie christlichen Quellen einen Vorrang vor den jüngeren und nichtchristlichen zu. Unter den christlichen Quellen gelten die in das Neue Testament aufgenommenen und damit „kanonischen“ Evangelien als historisch besonders wertvoll. Innerhalb dieser Gruppe kommt dem Evangelium des Markus, dem ältesten Evangelium, noch einmal eine Spitzenrolle zu.

Die Quellen, die aus jüdischer und römischer Sicht berichten, besitzen ihren Wert zum einen darin, dass sie Jesus als historische Gestalt bestätigen, von seinem Kreuzestod berichten und die Fortsetzung seiner Bewegung bezeugen. Zum anderen ist ihr Zeugnis auch deshalb von großem Wert, weil sie das zeitgeschichtliche Umfeld Jesu näher beleuchten, an dessen Darstellung die christlichen Quellen oft wenig Interesse haben. Die historische Rekonstruktion hat dabei etwas von einem Puzzlespiel. Dabei kann die kompetente Kombination von Daten dazu beitragen, dass kleinste Hinweise einer Quelle durch die Ergänzungen einer anderen erheblich an Erklärungskraft gewinnen.

Die beachtliche Menge und günstige Streuung von Quellen ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil Jesus weder als Person von Stand geboren wurde noch im pulsierenden Milieu einer Großstadt lebte. Aufgrund seiner Herkunft aus einer Handwerkerfamilie der Provinz wuchs Jesus im Schatten der weltgeschichtlichen Ereignisse auf. Diese Ausgangslage würde an sich erwarten lassen, dass er in den geschichtlichen Quellen seiner Zeit nicht auftaucht und von daher historisch „unsichtbar“ ist. Die Geschichte kennt zahlreiche Persönlichkeiten von Rang und hoher geschichtlicher Bedeutung, über deren Leben dennoch kaum Zeugnisse existieren. Das Gegenteil ist bei Jesus der Fall. Die Quellendichte ist hier ausgesprochen gut. Kein ernstzunehmender Historiker bezweifelt deshalb die Existenz des Jesus von Nazaret oder stellt die zentralen Ereignisse seiner Lebensgeschichte in Frage.

Verlässliche historische Forschung hängt zuallererst von der Quellenlage ab. Anders als bei anderen Personen der Antike ist sie bei Jesus ausgesprochen günstig
Regina Radlbeck-Ossmann

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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