Leidenschaften und Gefährdungen | Teil 04
Not der Geizhälse und Geizkrägen

Wenn der Geizige sich seiner Angst stellt, kann er frei werden. | Foto: Agentur Waldhäusl
  • Wenn der Geizige sich seiner Angst stellt, kann er frei werden.
  • Foto: Agentur Waldhäusl
  • hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion

Geiz und Enge

Die Gier nach Reichtum kann zu extremer Sparsamkeit führen. Ein Sprichwort sagt, dass man von den Reichen das Sparen lernen könne. Es gibt Reiche, die immer mehr Reichtümer um sich versammeln. Aber sie gönnen sich selber nichts. Geiz ist Lebensverneinung. Ich häufe tote Dinge an. Aber ich traue mich nicht, etwas zu genießen. Das Haben ist für diese Menschen wichtiger als das Leben. Wenn ich etwas genieße, habe ich es nicht mehr in der Hand. Ich habe es konsumiert. Der Geiz ist also immer auch mit Angst verbunden, ich könnte nicht mehr so viel haben, wie ich brauche.

Der Geizige kann nicht genießen. Der Geizige ist sich selbst gegenüber geizig. Obwohl er genügend Geld hat, gibt er es nicht aus. Er hat ein schlechtes Gewissen, wenn er sich ein gutes Essen gönnt oder sich etwas Schönes zum Anziehen kauft. Der Geizige kann nicht genießen und wird so für andere ungenießbar. Geiz kann zur Sucht werden. Ich habe Angst, etwas nicht mehr zu haben, was ich jetzt noch besitze.

Der Geizige schenkt nicht. Sprichwörtlich ist der Geiz der Reichen anderen Menschen gegenüber. Sie geben anderen nie Geld. Sie machen keine Geschenke. Oft genug bauen sie sich dann noch eine Theorie auf, um ihre Verweigerung, etwas zu schenken, zu rechtfertigen. Geschenke würden nur zu Gegengeschenken verpflichten. Mit solchen Argumenten begründet der Geizige vor sich selbst, dass er alles an sich rafft. Weil er sich selbst nichts gönnt, kann er auch anderen nichts gönnen. Und letztlich ist die Grundhaltung des Geizigen Angst. Die Angst hängt mit Enge zusammen. Wer Angst hat, wird eng. Wir sprechen im Deutschen vom Geizhals oder vom Geizkragen. Beide Bilder kreisen um den Hals. Der Geizige bekommt nie genug in seinen Hals. Aber zugleich schnürt er seinen Hals zu. Er wird immer enger. Er erstarrt letztlich.

Dem Geizigen die Angst nehmen. Ich kann den Geizigen nicht durch moralische Appelle zur Großzügigkeit bringen. Ich muss seine Angst ernst nehmen. Nur wenn der Geizige sich seiner Angst stellt, kann er seinen Geiz lassen, der ihn immer mehr einengt und von den Menschen entfernt. Der Geizige isoliert sich und wird zum Gespött der anderen. Schon der Weisheitslehrer im Alten Testament, Jesus Sirach, spottet über den Geizigen: „Wer gegen sich selbst geizt, sammelt für einen anderen; in seinen Gütern wird ein Fremder schwelgen. Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun? Er wird seinem eigenen Glück nicht begegnen. Keiner ist schlimmer daran als einer, der sich selbst nichts gönnt, ihn selbst trifft die Strafe für seine Missgunst“ (Sir 14,4–6). Geiz wird für den Geizigen zum Teufelskreis. Er möchte Schätze sammeln für die Zukunft. Doch die Gegenwart wird ihm zur Hölle. Denn er vermag sein Leben nicht zu genießen. Die Seele trocknet aus.

Die Angst zu Ende denken. Der Weg, vom Geiz frei zu werden, besteht darin, sich seiner Angst zu stellen und mit seiner Angst zu sprechen. Wovor habe ich letztlich Angst? Ist es die Angst, zu verhungern oder zu kurz zu kommen? Ist es die Angst, es könnte mir irgendwann einmal etwas fehlen? Oder ist es die Angst, dass mir etwas aus den Händen genommen wird? Dann wird die Angst fast zur Sucht: Ich muss alles, was ich in den Händen habe, festhalten, mich daran festklammern. Indem ich mit der Angst spreche, kann ich sie zu Ende denken. Und dann wird mich die Angst letztlich zu Gott führen. Die Angst, zu kurz zu kommen, wird mir zeigen, dass ich in Gott alles habe, was ich brauche, dass ich da nie zu kurz kommen werde. Die Angst, dass mir etwas fehlen könnte, verweist mich auf den Mangel, der wesentlich zum Menschen gehört. Ich werde nie alles haben.

Der Wert des Mangels. Aber das ist auch nicht wichtig. Der Mangel zeigt mir, dass ich auf Gott angewiesen bin. In diesem Angewiesensein liegt die innere Freiheit. Ich vertraue darauf, dass Gott für mich sorgen wird und dass ich immer das habe, was ich wirklich zum Leben brauche.

Geiz und Schuld. Eine andere Ursache für den Geiz können Schuldgefühle sein. Wenn mir von den Eltern immer eingetrichtert wurde, sparsam zu sein und nichts zu vergeuden, wenn jeder Genuss mit dem Verdikt der Verschwendung belegt wurde, dann bekomme ich Schuldgefühle, mir etwas zu gönnen. Die Überwindung des Geizes ist dann nur möglich, wenn ich mich diesen Schuldgefühlen stelle und mir dann von Gott die Erlaubnis geben lasse, das, was er uns an Gaben schenkt, auch zu genießen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ