Religion heute | Teil 1
Glaube in Zeiten der Krise

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Die vielfältigen Krisen sind Ermutigung, in Verkündigung und Seelsorge viel neuen Geist zuzulassen.

In der Welt folgt eine Krise auf die andere: Wirtschaftskrise, Corona, Krieg, Inflation und über allem die Klimakrise. Sie alle betreffen viele Menschen und die ganze Gesellschaft in ihrer Existenz. Die Kirche sieht sich aus eigener Erfahrung schon lange mit Krisen von Religion und Glauben konfrontiert. Säkularismus, Pluralismus und Individualismus haben mit der stark zurückgegangenen Weitergabe des Glaubens zum Ende der Volkskirche geführt. In der Multioptionsgesellschaft ist zwar das Interesse an einer spirituellen Lebensführung durchaus in Mode gekommen, der religiöse Glaube scheint jedoch für das Leben der Menschen immer weniger Relevanz zu haben.

Neue Wege in der Seelsorge
Systemrelevanz war denn auch das Stichwort in der Corona-Krise, die auch die Kirche in besonderer Weise herausgefordert hat. Der Ausfall der Gottesdienste und des pfarrlichen Lebens hat viele Gläubige schwer getroffen, und die Kirche selbst lebt ja von der Gemeinschaftlichkeit des Glaubens. Die über das Fernsehen oder online ermöglichte Teilnahme an der Sonntagsmesse war gelungenes Krisenmanagement, ist aber kein Zukunftsmodell. Mit Blick auf die tatsächlichen spirituellen Bedürfnisse von (nicht nur kirchlich beheimateten) Menschen sollten Religion und Glaube auch in Zukunft beweisen, system- und menschenrelevant zu sein. Nicht nur die pandemiebedingten Einschränkungen waren wohl eine unübersehbare Aufforderung, in der Verkündigung und der Seelsorge künftig auch neue Wege zu beschreiten.

Spirituelle Krise
Hat die Corona-Pandemie auf der ganzen Welt unsere falschen Sicherheiten offengelegt und uns begreifen lassen, dass eine solche Krise nur in globaler Geschwisterlichkeit gemeistert werden könne, gilt dies erst recht für die ökologische Krise. Angesichts des Klimawandels, der Flüchtlingsströme und des ungerechten Wirtschaftssystems hat Papst Franziskus in seiner Schöpfungs-Enzyklika Laudato si’ darauf hingewiesen, dass den vielen Krisen unserer Zeit bis zu den individuellen Sinnkrisen eine spirituelle Krise zugrunde liege, und eindrucksvoll zu einer „inneren Umkehr“ der Menschheit vom technokratischen Paradigma hin zu einer Neuausrichtung unseres Lebensstils an Nachhaltigkeit, umfassender Gerechtigkeit, Teilen mit den Armen und am Gemeinwohl aufgerufen. Die Zeichen der Zeit zeigten klar, dass der urchristliche Auftrag zu einer ganzheitlichen Ökologie auch die Verantwortung der einen Menschheitsfamilie für den globalen Frieden sei.

3 Fragen an

Andreas Kresbach ist in Graz aufgewachsen, derzeit in Wien als Jurist im Bereich Kinderrechte und als Autor (kirchen-)politischer Themen tätig.

  • Mit welchen Krisen ist die Kirche derzeit konfrontiert?
    Heute wissen immer weniger vor allem junge Menschen, etwas über den religiösen Glauben. Dabei ist Glaubenswissen ja auch Teil unseres Kulturwissens und gehört zum ganzheitlichen Menschsein dazu. Religion erlebt eine Glaubwürdigkeitskrise.
  • Wie zeigt sich die Glaubens- und Kirchenkrise?
    Viele Menschen haben Probleme mit der kirchlichen Tradition und Lehre, weil sie meist nur alte Glaubens- und Kirchenbilder kennen. Der Glaube wird als nicht relevant für das eigene Leben beurteilt und ausgeblendet.
  • Wie sollte die Kirche auf den Rückgang von Religiosität und Glauben reagieren?
    Die Frohe Botschaft als befreiendes und heilendes Sinnangebot in einer Sprache vermitteln, die man heute auch versteht. Da gibt es durchaus viel neuen Geist, den sollte man auch zulassen.

BUCHTIPP

Andreas Kresbach: Ein neuer Geist für den Glauben in der Welt von heute. Religion in Zeiten von Pluralismus und Individualismus.

LiT Verlag 2023, ISBN: 978-3-643-51146-1, 218 Seiten, broschiert, 29,90 Euro.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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