Positionen - Ernest Theußl
Kirche und Arbeiterschaft

In diesen Tagen jährt sich zum 90. Mal der denkwürdige Tag, an dem die Arbeiterschaft Österreichs zum bewaffneten Widerstand gegen die Regierung des christlichen Ständestaats griff. Das Parlament war ausgeschaltet, die politischen Parteien geächtet und der antidemokratische Wirbelsturm am Höhepunkt. Man griff zur Gewalt!

Dieses Ereignis erinnert eindringlich an den einst unversöhnlichen Gegensatz von Kirche und Sozialdemokratie. Allein die immer wiederkehrende Frage, ob ein Christ „rot“ wählen könne, sagt eigentlich schon alles.

Da muss ich immer wieder an eine alte Frau aus meiner unmittelbaren Umgebung denken, eine abgeschundene Fabriksarbeiterin der ehemaligen Solo, die in ihrer Pension täglich, auf einen Stock gestützt, zur Frühmesse ging. Manchmal kam sie, vornehmlich an heißen Sommertagen, am Heimweg bei mir vorbei, um etwas auszurasten, mit mir zu keppeln und ein Glas Most zu trinken.

Es waren wieder einmal Wahlen, und sie erzählte mir schuldbewusst, dass sie wieder „die Roten“ gewählt hätte. Als Arbeiterin könne sie ja nicht anders. Aber, so versicherte sie mir, ich hab das am folgenden Sonntag eh gebeichtet, womit sie mit sich wieder im Reinen war. Bis zum nächsten Mal!

Ernest Theußl

redaktion@sonntagsblatt.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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