Positionen - Karl Veitschegger
Jesu Religionskritik

Der Mensch kann alles Gute missbrauchen: Kommunikation, Medizin, Technik, Kunst … – und leider auch Religion. Jesus geht mit „Sündern“ aller Art milde um, zu milde, wie seine Gegner ihm vorwerfen. Aber wenn Menschen „Gott“ und „Religion“ beschwören, um andere abzuwerten, zu unterdrücken oder auszunützen, findet er verdammt harte Worte: „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten …!“ (Mt 23,13 und öfter) Er wusste, dass verblendete Religion tödlich sein kann: „Es kommt die Stunde, in der jeder, der euch tötet, meint, Gott einen heiligen Dienst zu leisten“ (Joh 16,2). Terror im Namen „Gottes“. Gottesvergiftung. Ja, das gab es damals, das gibt es auch heute.

Jesus hat vorweggenommen, was später der Nobelpreisträger Steven Weinberg in aller Bitterkeit so formulierte: „Mit oder ohne Religion werden gute Menschen Gutes und böse Menschen Böses tun. Damit aber gute Menschen Böses tun, dazu bedarf es der Religion.“ Weinberg ist Atheist geworden. Jesus nicht, obwohl er von religiösen Menschen, nicht von Atheisten zur Strecke gebracht worden ist. Er ist zu innig mit Gott, den er liebevoll „Abba“ (Papa) nennt, verbunden.

Dieser Gott, den Jesus uns vorlebt, ist kein Rechthaber und Machthaber, sondern der „Liebhaber“ schlechthin: jene erlösende Kraft der Liebe, die sogar die Feinde umfasst. Eine Religion, die uns nicht zu tiefer Liebenden macht, ist wertlos. Selbstachtung zu bewahren und zugleich unserem Feind ein glückliches Leben zu wünschen, zu dieser Balance ruft der Rabbi aus Nazaret auf. Wie das geht? Täglich üben. Jeder Schritt zählt. Sonst ist uns Menschen nicht mehr zu helfen.

Karl Veitschegger

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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