Positionen - Karl Veitschegger
Evangelium pur

Als die Berliner Mauer fiel und das DDR-System zusammenkrachte, musste sich das Diktatoren-Ehepaar Erich und Margot Honecker vor dem Zorn des Volkes verstecken und suchte verzweifelt Unterschlupf. Niemand wollte die beiden bei sich haben, auch keine Kirchengemeinde. Nur der evangelische Pfarrer Uwe Holmer und seine Frau waren bereit, die Verhassten am 30. Jänner 1990 in ihr Haus aufzunehmen. Vor der Tür tobte die lynchbereite Menge, beschimpfte und bedrohte den Pfarrer und forderte Honeckers Kopf.

Die Pfarrerfamilie selbst war Opfer der Politik Honeckers. Keines der zehn Kinder durfte studieren. Grund: ihre Treue zum christlichen Glauben. Denn die Honeckers benachteiligten oder verfolgten gnadenlos alles, was dem kommunistischen Regime zuwiderlief. Sie waren auch, nachdem sie bei Pfarrer Holmer Schutz gefunden hatten, nicht einsichtig, baten nie um Vergebung, belogen andere und sich selbst. Acht Wochen blieben sie im Pfarrhaus, ehe sie nach Moskau ausgeflogen wurden.

Warum ich jetzt an diese Geschichte erinnere? – Vor kurzem ist Pfarrer Uwe Holmer gestorben. Auf die Frage, warum er die Honeckers aufgenommen habe, antwortete er stets, er könne als Christ und Pfarrer nur glaubwürdig sein, wenn er auch lebe, was er predige und bete: „Vater unser … vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“

In einer Welt von Ideologie-Verblendung, Egoismus, Aggression und „Wir werden es euch zeigen!“-Stimmung zeigte Pfarrer Holmer den Weg Jesu: Evangelium pur. Danke.

Karl Veitschegger

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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