Armut tut weh

Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreich und Armutsforscherin Dr. Magdalena Holztrattner warnt davor, dass momentan besonders die „working poor“ übersehen werden, also jene, die vom Lohn ihrer Arbeit nicht leben können. | Foto: ksoe
  • Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreich und Armutsforscherin Dr. Magdalena Holztrattner warnt davor, dass momentan besonders die „working poor“ übersehen werden, also jene, die vom Lohn ihrer Arbeit nicht leben können.
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Armutsforscherin Magdalena Holztrattner fordert besondere Rücksicht auf „working poor“.

Mehr Augenmerk auf die Situation einkommensschwacher Personen in Österreich fordert die Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreich (ksoe), Magdalena Holztrattner. Die Corona-Krise verursache bei jenen Menschen, die in manifester Armut leben, Stress in gleich mehrfacher Hinsicht, warnte die Armutsforscherin. Auch für Familien, die, obwohl sie erwerbstätig sind, für ein ordentliches Leben zu wenig verdienen – die sogenannten „working poor“ – habe sich die Situation verschärft.

Vor- und Nachteile von Kurzarbeit
Die Kurzarbeit sei eine Kraftanstrengung, mit welcher der Sozialstaat viele Menschen vor Arbeitslosigkeit bewahrt und finanziell abgefangen habe, hob Holztrattner hervor. Dennoch sei Kurzarbeit für viele Betroffene mit empfindlichen Einschnitten und Existenznöten verbunden. „Auch wenn man sagt, es seien ja nur zehn oder 20 Prozent des Nettolohns weniger: Wenn ich vorher schon nicht auskomme mit dem Geld, sind auch zehn Prozent weniger schlimm und tun weh“, mahnte die Sozialexpertin.
Am Beispiel der Kurzarbeit zeige sich jedoch zugleich, wie wichtig ein starker Sozialstaat sei. Letzteren umschrieb Holztrattner als „eine Institution, bei der die Gemeinschaft all derer, die in Österreich leben und politisch etwas zu sagen haben, im Sinne des Gemeinwohls und des guten Lebens aller entschieden hat“. Der Sozialstaat trage entscheidend zur Abfederung einer gesellschaftlichen Schieflage bei und verhindere, „dass Menschen in Existenznot versinken, deswegen kriminell oder aber depressiv bis hin zu suizidal werden“.

Kein Heizen, kein Kühlschrank, kein Schikurs
Eindringlich rief die ksoe-Direktorin die Lebensrealität von Armutsbetroffenen in Österreich in Erinnerung. Im Winter könnten sie sich das Heizen der ganzen Wohnung oder im Sommer den Kauf eines neuen Kühlschranks beim Versagen des alten Gerätes nicht leisten. Auch die Teilnahme der Kinder an Schulschikursen oder Freunde zu sich nach Hause zu einem Essen einladen zu können liege jenseits der finanziellen Möglichkeiten.
Armut habe zudem zahlreiche Folgen: Sie mache physisch krank, würden Betroffene doch überdurchschnittlich oft in dunklen, feuchten und schlecht beheizten Wohnungen leben. Sie führe zu permanenten finanziellem wie sozialem Stress, da Betroffenen etwa Kinobesuche oder das Zeigen toller Urlaubsfotos verwehrt sind. Doch auch die gesellschaftliche Dimension dürfe nicht übersehen werden, mahnte Holztrattner. Von Armut betroffene Menschen so hinzustellen, als seien sie an ihrer Situation „selbst schuld“, da sie nur eine Arbeit suchen müssten, sei „zynisch, erst recht jetzt in Corona-Zeiten“, so die Sozialexpertin.
Magdalena Holztrattner ist Theologin, Armutsforscherin und Religionspädagogin aus Salzburg. Seit 2013 leitet sie die Katholische Sozialakademie Österreichs. Die ksoe steht für Bildung und Beratung mit dem Ziel, Menschen und Organisationen zu unterstützen, die den gesellschaftlichen Wandel aktiv mitgestalten – für ein gutes Leben für alle.
KATHPRESS

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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