Fronleichnam
Wofür gehst du auf die Straße?

Den Leib Christi trägt die katholische Kirche am Fronleichnamsfest durch die Straßen. Mit der Hoffnung auf Segen für „diesen Ort und alle die hier wohnen“ (aus dem Segensgebet). | Foto: Neuhold
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  • Den Leib Christi trägt die katholische Kirche am Fronleichnamsfest durch die Straßen. Mit der Hoffnung auf Segen für „diesen Ort und alle die hier wohnen“ (aus dem Segensgebet).
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Zum Fronleichnamsfest gehen Katholikinnen und Katholiken auf die Straße. Lesen Sie, was es damit auf sich hat und welche Gruppen bei der Prozession mitgehen.

Es war das Fronleichnamsfest in meiner Heimatgemeinde, wo ich das Demonstrieren gelernt habe.“ So sieht Daniela Felber, Zuständige für den „Themenschwerpunkt Schöpfungsverantwortung“ in der Stadtkirche Graz, die Verbindung zu einer Idee, die sie heuer im Vorfeld des Fronleichnamsfestes mit einem Team umsetzte: Aus einer alten, im Stoff schon mürb gewordenen Fronleichnams-Prozessionsfahne vom Dachboden der Grazer Stadtpfarrkirche entstand eine neu interpretierte Fahne unter dem Vorzeichen der Schöpfungsverantwortung.

An Fronleichnam gedenkt die Kirche der Einsetzung der Eucharistie durch Jesus Christus selbst beim Letzten Abendmahl. Am Fronleichnamstag gehen Katholikinnen und Katholiken in Städten und Dörfern in Prozessionen mit dem Allerheiligsten, dem Leib Christi in einer Monstranz verwahrt, durch die Straßen. Christus soll überall präsent sein. Er möge vor Unwetter und Leid bewahren und Stadt und Land beschützen. Damals wie heute glauben Christinnen und Christen, dass Jesus Christus im eigenen Leben wirksam ist und mit seinem Segen die Erde erhält.

Ein Blick auf die Prozessionsordnung
Heute gehen junge Menschen auf die Straßen, weil sie um eine lebenswerte Zukunft kämpfen. Sie demonstrieren für das Leben. Beim Fronleichnamsfest am 8. Juni in Graz soll die recycelte Fahne ChristInnen vereinen, die sich in Solidarität mit den jungen Menschen für die Rettung des Weltklimas einsetzen. In dieser Aktion verbinden sich die alte und die neue Tradition des Demonstrierens: sich als ChristIn sichtbar und hörbar machen im Vertrauen, dass Gott die Menschheit in eine gute und heile Zukunft führen möchte.

Neben dieser neuen Gruppierung unter der Fahne der Schöpfungsverantwortung nehmen an der Grazer Fronleichnamsprozession viele Gruppen schon seit Jahrzehnten teil. Werfen wir einen Blick auf die Prozessionsordnung: Allen voran wird das Kreuz getragen, gefolgt von den Ministrantinnen und Ministranten.RollstuhlfahrerInnen bilden die zweite Gruppe, begleitet vom Hospitaldienst der Malteser. Danach folgt die Schar der StudentInnenverbindungen in ihren farbenfrohen Paradetrachten (Näheres siehe unten).

Nach Vertretern von Bürgerkorps und Bundesheer gehen Mitglieder des Deutschen Ordens – erkennbar an ihren schwarzen Mänteln mit dem weißen Wappen mit einem schwarzen Kreuz. Gegründet wurde der Deutsche Orden 1190 im Heiligen Land. Heute widmet sich der Orden, ähnlich den Maltesern, vor allem der Sorge um Kranke, Behinderte und alte Menschen. Neben Ordenspriestern und Ordensschwestern gibt es auch Familiaren – so nennt man Laienmitglieder, die sich dem Ordensideal verpflichten.

Nach dem Deutschen Orden kommen in der Prozession die Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem – sie tragen ein rotes Jerusalemkreuz auf ihren Mänteln. Auch am Kreuz, mit seinen acht Spitzen, zu erkennen ist der nachfolgende Malteser-Ritter-Orden. Anschließend gehen die Priesteramtskandidaten (Alumnen) und VertreterInnen von Ausbildungsstätten: von der Privaten Pädagogischen Hochschule Augustinum, der Theologischen Fakultät und von Universitäten.

Nun rückt das eigentliche Zentrum der Prozession bereits ganz nah. Nach Diakonen, Priestern und dem Domkapitel deutlich sichtbar durch den sogenannten „Himmel“, einem Baldachin, unter dem Bischof Wilhelm Krautwaschl den Leib Christi in einer Monstranz trägt. Hinter ihm VertreterInnen von Stadt und Land, Ordensleute und schließlich alle weiteren Gottesdienst-TeilnehmerInnen.

Andernorts nehmen noch weitere Gruppen an der Prozession teil – Freiwillige Feuerwehr, Sportverein, Katholische Frauen- und Männerbewegung, Pfarrgemeinderäte, Jungschargruppen … – und ziehen an kunstvoll gelegten Blumenteppichen vorüber.

So verschieden die Teilnehmenden sein mögen, sie eint das Bekenntnis zum Auferstandenen, der für das Leben steht. Man könnte also sagen: KatholikInnen gehen an Fronleichnam für das Leben auf die Straße. Wofür würdest du auf die Straße gehen?


Farbenfrohe Paradetracht.

StudentInnenverbindungen bei der Fronleichnamsprozession.
Auch dieses Jahr nehmen zur Fronleichnamsprozession in der Grazer Innenstadt wieder die Abordnungen der studentischen Verbindungen und Vereine teil. Teils ruft das Auftreten dieser fälschlich mit Burschenschaften in Verbindung gebrachten Gläubigen nach wie vor Irritationen hervor. Folgende kurze Einordnung soll hoffentlich Klarheit über diese „bunte Schar“ schaffen:

Mit dem Aufkommen des katholischen Vereinswesens in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts entstanden im Rahmen der deutschen Katholikentage auch die ersten katholischen Studentenverbindungen an deutschen Universitätsstädten. Die erste österreichische katholische Studentenverbindung entstand 1864 in Innsbruck. Bald darauf – 1888 – gründete sich auch in Graz die erste katholische Studentenverbindung – die immer noch bestehenden KÖHV Carolina im Österreichischen Cartellverband (ÖCV). Die von der Carolina gewählten Farben schwarz-weiß-gold sollten einerseits das seitdem allen Grazer Verbindungen gemeinsame Bekenntnis zu Österreich (damals schwarz-gold) und andererseits zum Katholizismus (weiß-gold als Farben des Vatikans) nach außen betonen.

Die bewusste Abgrenzung zu nationaldeutsch gesinnten Burschenschaften, welche den universitären Betrieb bis zum ersten Weltkrieg dominierten, war und ist ein Kernpunkt der christlichen StudentInnenverbindungen. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts setzte auch an den Grazer Mittelschulen und Universitäten ein ‚Gründungsschub‘ katholischer Verbindungen ein. Mit Winfridia (gegr. 1907) entstand die erste nicht-farbentragende konfessionelle Studentenverbindung, Markomannia-Eppenstein (gegr.1908) war die erste katholische Mittelschülerverbindung. 1996 war es auch für Damen soweit – die Academia war die erste der heute noch immer bestehenden Grazer konfessionellen Studentinnenverbindungen, mittlerweile die größte Studentinnenverbindung Österreichs.

Insgesamt gibt es in Graz zur Zeit neunzehn katholische oder christlich-konfessionelle Verbindungen, davon sind drei Damenverbindungen. Gutes freundschaftliches Verhältnis zwischen diesen 19 Verbindungen besteht seit langer Zeit, weshalb auch die gemeinsame Teilnahme an der Fronleichnamsprozession eine Selbstverständlichkeit ist. Die Teilnahme der StudentInnenverbindungen seit Gründungstagen an den Fronleichnamsprozessionen ist im Übrigen in allen österreichischen und deutschen Universitätsstädten gängige Praxis. Damals wie heute bleiben die Mitglieder der Verbindungen auch nach Studienabschluß bis an ihre Lebensende in einer generationenübergreifenden Gemeinschaft Teil ihrer Verbindungen.

Heute sind die neunzehn katholischen und konfessionellen Grazer Verbindungen mit über 2000 Mitgliedern aktiv: die SchülerInnen und StudentInnen an allen Grazer Universitäten und Fachhochschulen, die Akademiker („Alte Herren“) und Akademikerinnen („Damen“) in mannigfachen Sparten und Bereichen in Graz. Vor allem aber im öffentlichen Leben, in gemeinnützigen Vereinen, in politischen Parteien und nicht zuletzt in den Pfarren sind Mitglieder katholischer Verbindungen gesellschaftlich, zumeist ehrenamtlich, engagiert.

Gemeinsam sind all diesen Verbindungen die vier Prinzipien

  • Religio (Katholizismus/Christentum)
  • Scientia (das Streben nach Wissenschaft)
  • Patria (das Bekenntnis zu einem demokratischen Österreich in einem geeinten Europa)
  • Amicitia (die lebenslange Freundschaft)

Als äußeres Zeichen der Verbundenheit innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft tragen die Mitglieder ein Band mit den Verbindungsfarben und die farbige studentische Mütze, „Deckel“ genannt. Fast alle Grazer konfessionellen Verbindungen führen zu ihrer farbenfrohen Paradetracht und ihrer Fahne einen Art Degen mit stumpfer Klinge – als Zeichen der studentischen Freiheit, niemals als Waffe, die gegeneinander eingesetzt wird! Hier zeigt sich auch deutlich eine der größten Differenzen zu den „Schlagenden“, den deutsch-nationalen Burschenschaften, welche das Tragen einer scharfen Klinge als Zeichen der Wehr- und Satisfaktionsfähigkeit betrachten und deren Mitglieder demgemäß auch gegeneinander fechten.

Übrigens: Über Graz hinaus gibt es in der Steiermark an fast allen Gymnasialstandorten katholische Mittelschulverbindungen, sowie an der Montanuniversität Leoben auch zwei konfessionelle Männer- und eine Frauenverbindung. Alle diese Vereinigungen sind gemeinsam mit vielen anderen Organisationen Mitglieder des Diözesankomitees Katholischer Organisationen der Steiermark (DKO).

Gregor Diez und Gerhard Leitinger, Österreichischer Cartellverband

Im Originalton

„Die Talare liegen im Dompfarrhof bereit, 8:00 dort einfinden zum Umkleiden“ – so lautete in den letzten Jahren oft die Anweisung an mich und andere Vertreter des Dekanats für Fronleichnam. Am Fronleichnamsfest in offizieller Funktion teilzunehmen bedeutet, sichtbar zu sein. Sichtbar als Theologische Fakultät, sichtbar als Frau mit Amt an dieser Fakultät. Im Talar in der Prozession mitzugehen bedeutet auch: als Fakultät und als Frau mit Amt Teil der Ortskirche zu sein, sich einzureihen in den wortwörtlich bunten Zug von Gläubigen.
Mir unvergessen auch bei meiner ersten Teilnahme: Eine alte Ordensschwester freute sich so, dass „endlich eine Frau vorne mitgeht“. Warum die Schwestern, die ihre Zugehörigkeit zur Kirche immer sichtbar tragen, nicht nur einmal im Jahr wie wir unsere Talare, weit hinten in der Prozessionsordnung waren, habe ich mich danach oft gefragt. Vielleicht, weil das eigentliche Zentrum des Festes, die Monstranz mit dem Leib des Herrn, dort am Ende des Zuges folgt.
Theresia Heimerl ist Religionswissenschaftlerin und Studiendekanin der Theologischen Fakultät der Uni Graz.

„Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist!“ Dieses kurze Gebet fasst für mich die Bedeutung von Fronleichnam zusammen. Wir ehren Gott, indem wir uns öffentlich zu ihm bekennen, das Knie vor ihm beugen und um seinen Segen bitten. Die Damen und Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem verstehen sich als Zeugen der Auferstehung, und somit ist dieser Tag ein Fixpunkt unseres Ordenslebens. Ich persönlich habe seit meiner Investitur im Jahr 2002 keine Fronleichnamsprozession ausgelassen. Einmal war es knapp, als ich den Anschlussflug von Zürich nach Graz verpasste und den Nachtzug nehmen musste. Die Ordensgeschwister waren schon zum Einzug aufgestellt, als ich mich endlich einreihen konnte. Diese kleinen persönlichen Opfer sind ein nicht unbedeutender Teil unserer Spiritualität: Gott rückt in den Mittelpunkt. Ich kann jedoch verstehen, wenn dies vielen Menschen heute fremd ist. Fronleichnam ist „Katholisch für Fortgeschrittene“.
Bernhard Aichernig ist Leitender Komtur der Komturei Graz des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.

Grazer Fronleichnamsprozession

8. Juni, 9 Uhr, hl. Messe im Dom zu Graz
anschließend Prozession
Schlussandacht mit Segen auf dem Hauptplatz

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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