Interview "Mit der Bibel aufs Leben schauen"
Große Ohren, echtes Interesse

Das eigene Leben verstehen, dabei können seelsorgliche Gespräche helfen. – Auch ehrenamtlich Engagierten bietet die Online-Studienreihe ab 1. Juni Praxisimpulse und Wissen für seelsorgliche Gespräche sowie die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. | Foto: pixabay/CC0
  • Das eigene Leben verstehen, dabei können seelsorgliche Gespräche helfen. – Auch ehrenamtlich Engagierten bietet die Online-Studienreihe ab 1. Juni Praxisimpulse und Wissen für seelsorgliche Gespräche sowie die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch.
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Mit der Bibel aufs Leben schauen, das geschieht in Gruppen und seelsorglichen Gesprächen, auch oft in Alltagsbegegnungen. Was stärkt den vertrauenden Blick aufs Leben?

Zwischen unseren kleinen und großen Lebensfragen und den biblischen Erfahrungen gibt es eine Verbindung. Wie können wir diese entdecken und pflegen? Wir haben mit Karl Felber gesprochen, der ehrenamtlich in der Pfarre Weiz mitarbeitet. Sein Interesse an der Hl. Schrift wurde in jungen Jahren geweckt, später durch Einkehrtage, Weiterbildung und im liturgischen Dienst als Lektor und Wort-Gottes-Feier-Leiter gestärkt.

Wie vertiefen Sie sich in die Botschaft der Bibel? Wie wirkt sie in Ihrem Alltag?
Meist lese ich einen Text mehrfach durch, lasse ihn in mich „einsinken“, versetze mich in die Situation: Was erspüre ich hinter den Worten, wie könnte die Szene heute aussehen, welchen Platz nehme ich darin ein?
Die intensivste Form der Vertiefung passiert in den monatlichen Bibelrunden, die ich seit Jahren leite. In der Gruppe besprechen wir Fragen und Erfahrungen, da kommt das Leben ungeschminkt zur Sprache, so wie es halt ist.

In der Bibel erfahren wir von berührenden, aufrüttelnden und oft unglaublichen Geschichten. Welche Texte sind für Sie besonders bedeutsam?
Ja, es ist wirklich spannend, wie die Menschen seit jeher ein gutes, sinnerfülltes Leben anstreben: Sie deuten ihr Leben in Bezug auf Gott, wollen mit ihm ins Reine kommen; sie begegnen Jesus, erfahren Gottes Zuwendung an Leib und Seele. Sie werden ganz und heil.
Eine besondere Bibelstelle ist mir die Berufung des Samuel (1 Sam 3). Die leise Stimme Gottes will Samuel aufwecken. Bis er sie hört und einordnen kann, braucht er aber Zeit, mehrere Versuche und einen guten Begleiter: Der hilft ihm, sie zu deuten, und ermutigt ihn, sich darauf einzulassen. Auch der Barmherzige Vater spricht mich sehr an (Lk 15,11-32), der einfach nie das Interesse an seinem Sohn verliert, bei dessen Rückkehr nichts vorrechnet. Nur der Freude über die Begegnung gibt er sich hin. Und die Emmausjünger, die ihr „Karfreitags-Trauma“ im Miteinander-Reden bearbeiten. Sie wollen unbedingt verstehen, bringen ihre Krise zur Sprache. Durch den Dritten tut sich dann etwas auf, sie können Zusammenhänge und rote Fäden in ihrem Leben erkennen. In ihren Herzen flackert ein neues Hoffnungsfeuer auf: ein wahrlich pfingstliches Ereignis.

Was motiviert Sie zum ehramtlichen Engagement in der Kirche? Woraus schöpfen Sie Kraft, und wie nähren Sie diese Quelle?
Meine Mitarbeit erfordert schon Zeit und Energie. Ich bekomme aber auch sehr viel: Ich erlebe Gemeinschaft – das ist mir wichtig, zum „Abgleichen“ meiner Sichtweise und um mich zu neuen Gedanken anregen zu lassen und zur Reflexion meines Glaubenslebens. Es wird dadurch gestärkt.
Ganz essentiell sind für mich Zeiten der Stille, die jährlichen Schweige-Exerzitien, das Schreiben und Fotografieren, auch die Gespräche in der Geistlichen Begleitung.

Im Zukunftsbild der Kath. Kirche Steiermark heißt es: „Wir vertrauen auf die Gegenwart Gottes in jedem Menschen und bringen jeder einzelnen Lebensgeschichte Ehrfurcht und Respekt entgegen.“ Wie gelingt es Ihnen, für Sie unverständlichen Haltungen im Gespräch mit Wertschätzung zu begegnen? Gibt es auch Grenzen gegenseitiger Verständigung?
Eine echte Offenheit kann gelingen, wenn ich mich nicht in Konkurrenz zum Gegenüber drängen lasse und mich nicht beweisen muss. Das geht, wenn ich mich selbst möglichst gut kenne und spüre. Dann kann ich in schwierigen Gesprächssituationen vielleicht die Verletzungen spüren, die hinter den Worten liegen. Falls aber beim Gegenüber der Wille zum Austausch komplett fehlt, muss ich das Gespräch abbrechen oder verschieben. Auch um mich selbst zu schützen.

In der Vergangenheit wurde das Führen von seelsorglichen Gesprächen oft nur bei hauptamtlich Tätigen (Priestern, Ordensleuten, pastoral tätige Laien) gesehen. Warum ist es wichtig, dass alle Getauften dazu berechtigt und berufen sind? Was ist aus Ihrer Erfahrung in der Begegnung mit anderen Menschen von besonderer Bedeutung? Welche Kompetenzen, Fähigkeiten und Kenntnisse sind dabei hilfreich?
Es ist bereichernd und notwendig für eine lebendige Kirche, dass sich alle ChristInnen aktiv einbringen, je nach Begabungen. Davon bin ich überzeugt. Als Volk Gottes tragen wir mit unserem Glaubenssinn schon immer zur Entfaltung der Kirche bei.
Seelsorgliche Gespräche sehe ich als eine „Königsdisziplin“, weil es um das Fördern des je persönlichen Glaubensweges geht, um das „Inwendige“, den innersten Bereich im Menschen. Es braucht dafür eine fundierte Ausbildung, „große Ohren“ und echtes Interesse an den anderen. Dass ich nicht meine eigenen Vorstellungen verwirklichen will, sondern mich tatsächlich vom Gegenüber berühren lasse. Aber auch dass man die Lebenswelten der Menschen kennt und versteht. Und eine Portion Vertrauen in den Heiligen Geist.

Welche Menschen brauchen gerade jetzt unsere besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung?
Ich denke gerade an die vielen ehrenamtlich Tätigen: Mit viel Herzblut tragen sie wesentliche Bereiche des kirchlichen Lebens. Ich wünsche mir, dass sie echte Wertschätzung erfahren und gut begleitet werden auf ihrem persönlichen Lebens- und Glaubensweg.

Im Juni findet eine vierteilige Online-Studienreihe „Mit der Bibel auf das Leben schauen“ statt. Warum ist es wichtig, eigenes Verhalten zu reflektieren und sich darüber mit anderen auszutauschen?
„Aufs Leben schauen“, das verstehe ich im doppelten Sinn: das Leben betrachten, und es auch fördern, gut darauf schauen, dass es wachsen kann.
In unseren Begegnungen geht es ja nicht bloß um Kommmunikationstechnik und Gesprächsführung. Wir bringen uns als ganze Person ein, so wie wir geworden sind. Unser Wesen wird spürbar in unseren Gesprächen, ob bewusst oder unbewusst.
Nur ein sauberer Spiegel oder eine ruhige Wasserfläche können ein gutes Spiegelbild bereitstellen. Und nur, wenn ich mich selber gut kenne, auch meine wunden Punkte und „roten Knöpfe“, nur dann kann ich verlässlich begleiten und Leben fördern, ohne den anderen meine eigenen Themen „aufzudrücken“. So kann ich eine gute „Spiegelfläche“ werden. Mein Gegenüber soll ja im Gespräch etwas für sich entdecken können.
Gute Gespräche und Geistliche Begleitung machen meinen Lebensweg zu einem Emmaus-Gang über Jahrzehnte. Sie fachen die Glut in meinem Herzen an immer wieder an und wecken in mir eine Ahnung von pfingstlichem Feuer.

Das Interview führten Inge Lang und Elisabeth Wimmer

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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