Caritas Aktuell
Am falschen Ort geboren

Bildung ist der Schlüssel, um die eigene Lebensrealität positiv zu verändern, ist Anna Steiner von der Caritas Steiermark überzeugt. Sie können die Projekte der Caritas mit Ihrer Spende unterstützen. | Foto: Caritas/Wally
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  • Bildung ist der Schlüssel, um die eigene Lebensrealität positiv zu verändern, ist Anna Steiner von der Caritas Steiermark überzeugt. Sie können die Projekte der Caritas mit Ihrer Spende unterstützen.
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Für Millionen von Kindern weltweit sind Gewalt, Zerstörung, Vertreibung, Flucht und Tod tägliche Realität. Wo setzt da die Auslandshilfe der Caritas Steiermark an?
Anna Steiner: Wir haben Projekte in Ländern, die Menschen aus Kriegsgebieten aufgenommen haben, und helfen dort gemeinsam mit Partnern. Zum Beispiel in Ungarn: Dorthin sind Angehörige der ungarischen Minderheit der Ukraine geflohen, als die Angriffe begannen. Wir konnten die ungarischen Partner in der Flüchtlingsbetreuung unterstützen, meist Frauen mit Kindern. Auch an Hilfstransporten haben wir uns beteiligt und Familien in der Ukraine unterstützt. Ungarn hat auch Hilfe für Geflüchtete in Bulgarien geleistet, wo wir eine Sommerschule und Essen für Kinder mitfinanziert haben.

In anderen Projektländern herrscht selbst Krieg und Gewalt, zum Beispiel im Südsudan.
Steiner: Der Südsudan kommt nicht zur Ruhe, der Sudan-Konflikt schwappt über, und es gibt hunderttausende Binnenvertriebene. Da helfen wir zum Beispiel in Flüchtlingslagern. Auch dort leben tausende Kinder, die nicht mehr in die Schule gehen können.

Sind die Kinder durch Krieg und Gewalt nicht genug belastet? Ist die fehlende Schule da nicht das geringere Problem?
Steiner: Alles, was für ein gutes Aufwachsen nötig ist – Stabilität im persönlichen Umfeld, ausreichende Ernährung, Verlässlichkeit in den Beziehungen – davon können Kinder, die in Kriegsgebieten leben oder die fliehen mussten, nur träumen, sofern sie noch Träume haben. Schule gibt einen stabilen Rahmen, Struktur und ein Stück Alltag. In einer Gemeinschaft mit Gleichaltrigen zu sein ist förderlich für die Entwicklung. Schule ist in der Ausnahmesituation Flucht oder Krieg auch ein Ort, wo Kinder Perspektiven entwickeln können und die Vorstellung davon, dass es trotz allem eine Zukunft für sie gibt.

Bildung ist auch in stabilen Staaten ein Thema der Auslandshilfe, etwa in Rumänien und Bulgarien. Das sind EU-Staaten. Es wäre anzunehmen, dass europäische Standards gelten. Wie ist die Realität?
Steiner: Das Lohnniveau ist so niedrig, dass Menschen, vor allem jene ohne Ausbildung, fast gezwungen sind, im Ausland zu arbeiten. Die Kinder bleiben zu Hause und sind oft schon recht früh sich selbst überlassen. Nach Möglichkeit kümmern sich Großeltern oder Nachbarn, aber das ist nicht immer gewährleistet. Das ist kein kindgerechtes Aufwachsen. Es fehlt an Unterstützung und Förderung. In unseren Kindertagesstätten, die wir mit Partnern zum Beispiel in Nadrag in Rumänien oder in Sofia in Bulgarien betreiben, versuchen wir, das zu geben, was den Kindern fehlt: ein warmes Essen nach der Schule, liebevolle Betreuung, Beziehung.

Sie sind seit vielen Jahren für Kinderprojekte in der Caritas-Auslandshilfe zuständig. Warum liegen Ihnen Bildungsthemen so am Herzen?
Steiner: In vielen Kindern sehe ich mein eigenes Ich als Kind, negativ gespiegelt: Ich bin in einem sehr abgelegenen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen und konnte nur maturieren und sogar studieren, weil es Stipendien gab, Schülerbeihilfe und Fahrtkostenzuschüsse. In unseren Projektländern, sei es in Afrika, sei es in Osteuropa, gibt es keine staatliche Unterstützung für den Schulbesuch, und vielen Eltern fehlt das Geld. Deshalb geht mir diese Ungerechtigkeit so nahe, dass Kinder von klein auf gar keine Chance haben, weil die Rahmenbedingungen gegen sie sind. Die Kinder sind einfach am falschen Ort geboren. Ihre Talente und ihre Interessen, ihre Wünsche spielen gar keine Rolle. Damit verfestigen sich Armut und Perspektivenlosigkeit. Denn Bildung ist der Schlüssel dazu, die eigene Lebensrealität positiv zu verändern. Dem trägt auch die UNO Rechnung: Sie hat „Entwicklung“, also auch das Recht auf Bildung, in der UN-Kinderrechtskonvention verankert.

Caritas-Projekte

RUMÄNIEN – Bildung schafft Zukunft. Im Dezember 1989, unmittelbar nach dem Fall des grausamen politischen Regimes, hilft die Caritas Steiermark Menschen in Temeswar erstmals mit Lebensmitteln. Für Kinder werden einfache Räume zur Nachmittagsbetreuung eingerichtet, wo es ein warmes Mittagessen nach der Schule und Hilfe beim Lernen gibt. Wichtig sind diese Lerncafés auch heute – vor allem für jene SchülerInnen, deren Eltern nur wenig Schulbildung haben oder im Ausland in der Pflege arbeiten. Auch Kinder aus der Minderheit der Roma, die noch immer ausgegrenzt werden, haben durch die Caritas-Kindertagesstätten die Chance, die Schule erfolgreich abzuschließen.

Rumenien | Foto: Caritas

BULGARIEN – Schule für geflüchtete Kinder. Im Zuge der Migrationsströme von 2015 baut die Caritas Steiermark ihre Flüchtlingshilfe in Bulgarien aus. In Flüchtlingslagern werden Kinder aus Syrien, Irak oder Afghanistan jeden Tag einige Stunden unterrichtet und können spielen. Als nach Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine Tausende in das Nachbarland Bulgarien flüchten, werden Kinder und Erwachsene mit Essen und einem Dach über dem Kopf notversorgt. Als klar wird, dass der Krieg andauert, werden die schulpflichtigen Flüchtlingskinder auf einen Schuleintritt in Bulgarien vorbereitet. In Sommerschulen erhalten sie warme Mahlzeiten, Schulmaterialien und lernen die Sprache ihrer neuen Heimat.

Bulgarien | Foto: Caritas

BURUNDI – Hygiene und Familie. In Österreich kein Thema, doch in Afrika oft eine große Hürde für Mädchen: Weil Hygieneprodukte fehlen, müssen Schülerinnen in Ländern wie Burundi während der Menstruation von der Schule daheimbleiben. Um dem entgegenzuwirken, lernen Frauen in Nähprojekten nun, Stoffbinden herzustellen. Durch den Verkauf am Markt erwirtschaften die Frauen außerdem ein eigenständiges Einkommen und ermöglichen ihren Töchtern den Besuch und erfolgreichen Abschluss der Schule. Mehr über ihren Körper erfahren die Mädchen und Frauen in Gesundheitskursen. Durch Hygiene-, Gesundheits- und Bildungsmaßnahmen wird die Armutsspirale durchbrochen.

Burundi | Foto: Caritas


Kind sein können


Jede und jeder weiß, was Kindsein heißt. Denn ausnahmslos jeder Erwachsene hat einige Jahre seines Lebens damit verbracht, ein Kind zu sein. Aktuell gibt es etwa 2,5 Milliarden Kinder auf der Welt, und laut UN-Kinderrechtskonvention endet diese Kindheit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. In Europa ist jeder fünfte Mensch ein Kind, weltweit gesehen fast jeder dritte. Kinder brauchen mehr Schutz als Erwachsene, und besonders vulnerabel sind Kinder im Krieg oder in Krisen. 43,5 Millionen Kinder waren im Vorjahr weltweit auf der Flucht, davon viele aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen im eigenen Land. Kinder aus ethnischen Minderheiten wie jene der Romnija und Roma sind vielerorts noch ausgegrenzt – in Ländern Osteuropas schließt gar nur jedes zweite die Volksschule erfolgreich ab. Kinder, deren Eltern aufgrund von Armutsmigration im Ausland arbeiten – wie etwa Pflegekräfte aus Rumänien – brauchen im Heimatland jemanden, der sie beim Erwachsenwerden unterstützt. Seit 35 Jahren begleitet und stärkt die steirische Caritas Kinder auf ihrem Weg ins Leben: in Kindertagesstätten, Ernährungszentren, Waisenhäusern, Flüchtlingsunterkünften, Ausbildungsstätten und Schulen in Osteuropa sowie in Afrika – aktuell in derzeit 30 Hilfsprojekten. Keine Kindheit verläuft gleich, aber jedes Kind braucht zum Erwachsenwerden gesunde Nahrung, sauberes Wasser, Bildung und jemanden, der sich kümmert und liebevoll erzieht. Egal, wo auf der Welt.

Kinderprojekte der Caritas mit Ihrer Spende unterstützen:
Konto: AT08 2081 5000 0169 1187 oder
online: caritas.at/spenden

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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