Geschichtliches
Raus aus der Politik

Der Beschluss der Bischofskonferenz zur Beendigung politischer Tätigkeiten des Klerus, im Verordnungsblatt veröffentlicht. | Foto: Archiv
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  • Der Beschluss der Bischofskonferenz zur Beendigung politischer Tätigkeiten des Klerus, im Verordnungsblatt veröffentlicht.
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Priesterpolitiker wurden 1933 von den Bischöfen aus ihren politischen Funktionen abberufen.

Vor 90 Jahren, am 30. November 1933, fasste die Österreichische Bischofskonferenz „nach reiflicher Überlegung“ den Beschluss, dass katholische Geistliche „unter den gegenwärtigen besonders heiklen politischen Verhältnissen“ ihr politisches Mandat nicht mehr ausüben durften.

Sonderform. Das Engagement von Klerikern als parteipolitische Mandatsträger und die damit verbundene Übernahme von politischen Funktionen und Ämtern war eine Sonderform des priesterlichen Wirkens in der Gesellschaft, vor allem seit Mitte des 19. und in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Priesterpolitiker kamen sowohl aus dem Weltklerus als auch aus den Orden, traten besonders ab der konstitutionellen Ära nach 1848 hervor und setzten sich auch für soziale und kulturpolitische Anliegen sowie christliche Wertvorstellungen ein.

Steirische Beispiele. Im Blick auf die Steiermark seien einige Beispiele genannt: Professor Johann Riedl (1808–76), späterer Rektor der Universität wie auch Grazer Stadtpfarrpropst, wurde im Revolutionsjahr 1848 Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt. Im Steiermärkischen Landtag wirkte etwa der Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes Vorau, Isidor Allinger (1820–1903), ebenso der Weltpriester und spätere Dompropst Alois Karlon (1835–1902), der die Katholisch-Konservative Partei mitbegründet und den Katholischen Pressverein initiiert hat.

Zu den führenden Repräsentanten der christlichsozialen Bewegung in der Habsburgermonarchie zählt der Sozialpolitiker Josef Scheicher (1842–1924), der sich immer wieder erschreckende antisemitische Ausfälle leistete. Der Priester stammte aus St. Stefan ob Stainz, war von 1890 bis 1919 Abgeordneter des Niederösterreichischen Landtags und von 1894 bis 1918 im Reichsrat.

Landeshauptmann. Sowohl in der Habsburgermonarchie als auch in der Ersten Republik war der Krieglacher Dechant Franz Prisching (1866–1935) parteipolitisch tätig, seit 1907 als christlichsozialer Reichsratsabgeordneter, zwei Jahre später als Landtagsabgeordneter. In der Zwischenkriegszeit wurde er Finanzreferent im Steirischen Landtag, Landesrat und Landeshauptmannstellvertreter. Vor seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahre 1926 übte er sogar das Amt des Landeshauptmanns für vier Monate aus.
Der Pfarrer von Wettmannstätten, Georg Gimpl (1887–1947), tat sich als Abgeordneter zur Konstituierenden Nationalversammlung (1919/20) sowie zum Nationalrat (1920–1927) hervor.

Gemeinderäte. Auf kommunalpolitischer Ebene finden sich ebenso Geistliche, etwa Domdechant Alois Hebenstreit (1826–99), langjähriger Chefredakteur des Katholischen Wahrheitsfreundes, für die Katholisch-
Konservativen im Grazer Gemeinderat oder Pfarrer Anton Thir (1875–1954) im Gemeinderat der Stadt Leoben. Während des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes saß Thir, inzwischen Propst von Bruck an der Mur, im Bundes-
kulturrat.

Michaela Sohn-Kronthaler


Dialog mit allen Gruppen

Keine Rückkehr zur aktiven Parteipolitik.

Laut Entscheidung der Bischofskonferenz vom 30. November 1933 hatte sich binnen zwei Wochen der Klerus aus der aktiven Parteipolitik zurückzuziehen. Davon betroffen waren vor allem zwei einflussreiche steirische Priesterpolitiker: Franz Kölbl (1876–1956), Kreisdechant von Hartberg und Präsident des Steiermärkischen Landtags seit 1920, sowie Landesrat Leopold Zenz (1880–1955), Pfarrer von St. Kathrein am Hauenstein und Vorsitzender des Landtagsklubs der Christlichsozialen Partei.

Die vor 90 Jahren getroffene Entscheidung zur Entpolitisierung des Klerus hat der österreichische Episkopat unter dem Vorsitz von Kardinal Theodor Innitzer (1875–1955), der einst selbst Bundesminister für soziale Fürsorge (1929/30) war, im Jahre 1945 bekräftigt. Nur Theologieprofessor Johannes Ude (1874–1965) wagte 1951 mit seiner Kandidatur bei der ersten Bundespräsidentenwahl in Österreich einen erneuten Versuch, nachdem er in der Zwischenkriegszeit bereits eine eigene Partei gegründet hatte. Ude konnte jedoch als Priesterpolitiker in der Zweiten Republik nicht mehr reüssieren.

Das „Mariazeller Manifest“ im Jahre 1952 hob klar die Haltung der Kirche Österreichs hervor: „Keine Rückkehr zu einem Bündnis von Thron und Altar […], keine Rückkehr zum Protektorat einer Partei über die Kirche.“ Betont wurde die Dialogbereitschaft der Kirche mit dem Staat, allen Gruppen und Konfessionen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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