Sr. Johanna Datzreiter – Missionarin zwischen Bürgerkrieg und Ebola Folge 5
Wo der Pfeffer wächst

Foto: Be & Be

„Schwester, du hast noch nicht gebetet!“

Als ich während meiner ersten Jahre in Liberia sah, wie Kinder aus den Dorfschulen das Wasser aus Tümpeln tranken, beschloss ich, die Lehrer und älteren Buben über die Gefahren von verseuchtem Wasser aufzuklären und versuchte, sie vom Wert eines eigenen Schulbrunnens zu überzeugen. Sie nahmen meine Idee mit Begeisterung auf und kannten auch einen Brunnengräber in der Gegend. Gesagt, getan – und so schickten wir die Schulältesten gemeinsam mit dem Direktor zum Dorf-Ältesten von Lugabayee, der das Vorhaben auch bewilligte. Von meinem ersten Missio-Projekt, der Lepraschule, hatte ich noch etwas Geld übrig, um den Brunnengräber bezahlen zu können. Bei 35 Grad Hitze grub er zehn Meter tief in die Erde. Das verdiente Anerkennung und auch eine gerechte Entlohnung. Die anderen Arbeiten sowie das Kochen für die Arbeiter übernahmen die Schule und das Dorf selbst.
Kurz vor dem ersten Spatenstich rief plötzlich einer der Schüler: „Schwester, du hast noch nicht gebetet!“ Das war mir eine Lehre für mein gesamtes weiteres Missionsleben. Wieder wurde mir bewusst: Afrika ist anders, Afrika ist einmalig – bis heute! Wer keine Ehrfurcht vor Gott hat, soll sich besser von diesem Erdteil fernhalten! Ein Katechist, der mich begleitet hatte, entschuldigte sich in meinem Namen für dieses Versäumnis. Er bat den Ältesten der Anwesenden, im Namen der Ahnen den Segen für das Projekt zu geben, was dieser auch sogleich in seiner Stammessprache tat (…) Das Gebet schien kein Ende nehmen zu wollen. Die Liberianer lieben Wiederholungen in Gebeten, im Gesang und auch bei Grabreden.

Ich war so beschämt über das, was ich hier erlebt hatte. Also flüsterte ich dem Katechisten zu, er möge doch auch in unser beider Namen ein Gebet sprechen, denn das würde sicher von uns erwartet werden. Und so geschah es auch.

Am Ende der Zeremonie hatte sich beinahe das gesamte Dorf um uns versammelt. Und so erfolgte der erste Spatenstich, während die Menschen vor Freude sangen und tanzten. Als sie nach zwei Wochen Arbeit endlich reines Trinkwasser aus dem neuen Brunnen schöpfen konnten, war die Freude noch größer, und sie feierten stundenlang. Der Brunnen wurde nach dem Brunnengräber Ali benannt. Es wurden fixe Zeiten festgelegt, zu denen alle Dorfbewohner aus dem Schulbrunnen Wasser holen konnten. Die Klasse der ältesten Schüler wurde mit der Aufsicht des Brunnens beauftragt. So konnten alle Bewohner von Lugabayee am guten Trinkwasser teilhaben.

„Das Wasser ist verhext“

Wie wichtig der Segen für den Bau eines Brunnens ist, lehrte mich auch eine andere Episode. Auf einer meiner Touren mit unserem Kate­chis­ten sahen wir eines Tages im Dorf Suortapa einen neu errichteten Dorfbrunnen mit Pumpe und einer schönen Umzäunung. Wir besuchten auch die Schule. Die Kinder tummelten sich vor dem Schulgebäude. Offensichtlich war gerade Pause, denn einige Kinder hatten Bananen in ihren Händen. Neugierig fragten wir sie, ob sie denn auch Wasser aus dem Dorfbrunnen trinken würden. Eigenartigerweise verließen uns die Kinder rasch, nachdem wir ihnen diese Frage gestellt hatten. So winkten wir einen größeren Buben herbei und stellten nochmals unsere Frage. Er schaute sich um und flüsterte uns dann geheimnisvoll zu: „The big people say, the water is bewitched.“ (Die großen Leute sagen, das Wasser ist verhext.)

„Ja warum sollte denn das Wasser verhext sein?“, fragten wir, doch darauf wusste er keine Antwort und machte sich schnell davon. Ich konnte nicht verstehen, dass man in dieser Hitze so etwas Kostbares wie Wasser von diesem Brunnen, der sogar über eine Pumpe verfügte, nicht nützen wollte. Da auch unser Katechist das Dorf und seine Bewohner nicht kannte, wanderten wir ein wenig um die Schule herum. Der Unterricht hatte in der Zwischenzeit wieder begonnen. Plötzlich kam ein Lehrer auf uns zu und wollte wissen, ob wir diejenigen seien, die einen Schüler nach dem Dorfbrunnen gefragt hätten.

„Dieser Brunnen“, erklärte uns der Lehrer, „wurde vor Jahren von Quee People (So nennen die Liberianer weiße Entwicklungshelfer) gebaut. Es hieß, der Dorf-Älteste hätte es erlaubt, aber die Leute im Dorf wussten nichts davon. Niemand hatte vor der Arbeit des Brunnenbaus zu den Ahnen um Schutz und Hilfe gebetet. So hatten die Leute immer Angst vor einem bösen Geist und das Wasser auch nie benutzt.“

Der Lehrer erkundigte sich, ob wir im Dorf Lugbayee mit den Kindern den dortigen Brunnen gegraben hätten. Als wir das bejahten, bat er uns, doch auch den hiesigen Kindern zu helfen, denn das schmutzige Wasser aus den Tümpeln war die Ursache vieler Krankheiten, vor allem Wurmerkrankungen, die das Wachstum der Kinder behinderten. Natürlich waren wir bereit, auch hier zu helfen. Allerdings mussten wir das zuerst mit den Dorfbewohnern, speziell mit den Ältesten, besprechen und deren Zustimmung einholen. Wir schlugen vor, sich auch in Lugbayee nach den dortigen Erfahrungen zu erkundigen, wie zufrieden sie dort mit dem Ali-Schulbrunnen waren.

Wir versprachen, bald wiederzukommen und empfahlen dem Lehrer, sich schon einmal nach einem guten Brunnengräber umzusehen, sollten die Ältesten im Dorf dem Brunnenbau zustimmen. Als wir nach zwei Wochen wieder nach Suortapa zurückkamen, begrüßten uns die Leute sehr freundlich. Wir bemerkten sofort, dass sich die Stimmung im Dorf positiv verändert hatte. Die Schulkinder, die wegen des Markttages eine längere Pause hatten, liefen uns strahlend entgegen und riefen: „Wann fangen wir mit unserem Brunnenbau an? Old Man Duko weiß, wie man einen Brunnen gräbt.“ Bis wir die Schule erreichten, wussten wir schon über alles Bescheid, was sich seit unserem letzten Besuch getan hatte.

Wir nahmen den Schulbrunnen gemeinsam mit den Dorfbewohnern in Angriff, denn auch in Suortapa wollten die Menschen sauberes Wasser haben. Der Dorfbrunnen hingegen, der von Entwicklungshelfern ohne Einbeziehung der Dorfgemeinschaft gebaut worden war, blieb für die Leute weiterhin ein Tabu. Mir wurde ganz klar: In Afrika muss man vieles res­pektieren lernen, was man nicht sofort verstehen und verändern kann. (…) Fortsetzung folgt

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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