Bibel - Schatz fürs Leben
Der Psalmensammler

Ein Hirte in Galiläa – ein aussterbendes Gewerbe in der Heimat Jesu angesichts gravierender Veränderungen. | Foto: KNA
  • Ein Hirte in Galiläa – ein aussterbendes Gewerbe in der Heimat Jesu angesichts gravierender Veränderungen.
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Die Bibel ist ein Schatz fürs Leben. Wer sucht, findet darin manche kostbare Perle – wie jener schon verstorbene kirchliche Mitarbeiter, der eine spezielle Vorliebe hatte: den Psalm 23. Eine persönliche Spurensuche zum „Sonntag des Wortes Gottes“.

Bei einem Bibeltag – ich war damals nach dem Studium eben erst ins Berufsleben eingestiegen – kam ich mit einem Mann ins Gespräch, der eine besondere Vorliebe hatte: Er sammelte den Psalm 23 in verschiedenen Ausgaben und Übersetzungen: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ – die Anfangsworte hat wohl fast jede und jeder im Ohr.

lm Gespräch erfuhr ich von meinem Gegenüber, dass er vor allem noch eine Übersetzung suche – jene von Martin Buber. Dieser jüdische Gelehrte übertrug mit Franz Rosenzweig die hebräische Bibel ins Deutsche. Diese „Verdeutschungen“, wie sie ihre Neuübertragung selbst bezeichneten, sind eine sprachliche Kostbarkeit, die so nah wie möglich am Wortlaut der Tora bleiben will. Die Psalmen sind darin „Das Buch der Preisungen“ tituliert. Genau dieses Buch hatte ich selbst einige Zeit davor als Geschenk erhalten. Nun konnte ich zumindest mit einer Kopie daraus zur Sammlung des Psalmenliebhabers beitragen.

Auch Jesus hat sich diesen Psalm zu eigen gemacht,
so sehr, dass er damit sein
Selbst­verständnis zum
Ausdruck bringt.

Durch einige Zufälle kam ich schließlich selbst zu einer – wenn auch bescheidenen – Sammlung von Übersetzungen und Meditationen zu eben diesem Psalm. Einmal fand ich ihn in einer Broschüre mit Übungen zur Kalligrafie, kunstvoll gemalt mit Tinte und Feder, dort übrigens umgeschrieben zum „Psalm 23 für Seefahrer“, wieder einmal in sehr freier Formulierung in einem Büchlein mit Anregungen zum Beten. Gleich zwei Nachdichtungen aus Japan habe ich mir zur Seite gelegt, auch der früh verstorbene Priester und Mönch Martin Gutl ist mit einer Meditation über diesen Psalm in meiner Sammlung vertreten. Nicht alle Texte haben mich auf Anhieb überzeugt, etwa wenn es heißt: „Der Herr versorgt mich. Warum sollte ich mir Sorgen machen?“ Wird der Psalm da etwa in vordergründiges Wohlfahrtsdenken gewendet? Doch auch hier findet sich der tröstliche Grundton in Einsamkeit, Krankheit und Tod, bis es zuletzt heißt: „lch bin sein Gast in seinem Haus, mehr noch: sein Freund und sein Kind.“

Jesus betet die Psalmen – er findet darin sein eigenes Leben

Auch Jesus hat die Psalmen gebetet. Seine Worte am Kreuz „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ sind die Anfangsworte des Psalms 22. Und auch den Psalm 23 hat sich Jesus zu eigen gemacht, so sehr, dass er damit sein Selbstverständnis zum Ausdruck bringt. Dafür steht das Gleichnis vom „verlorenen Schaf“ (Mt 18,12-14; Lk 15,3-7), vor allem aber eines der sieben „Ich bin“-Worte im Johannesevangelium: „lch bin der gute Hirt, ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich.“ (Joh 10,14)

Eine ungewöhnliche und zugleich originelle Begegnung mit diesem Psalm ergab sich auf der Straße, und zwar in der Form eines Wunschkennzeichens: „P - SALM 23“. Das hätte auch gut auf ein damals beliebtes Bier­lokal in der NÖ Landeshauptstadt passen können. Nach einigem Rätseln stellte sich damals heraus, dass mit diesem Kennzeichen ein evangelischer Geistlicher unterwegs war, der auch bei so mancher ökumenischen Feier profunde Bibelkenntnis in seine lebendigen Predigten einfließen ließ. Zumindest war es eine sehr originelle biblische „Visitenkarte“.

„Der HERR ist mein Hirt, / nichts wird mir fehlen. / Er lässt mich lagern auf grünen Auen / und führt mich zum Ruheplatz am Wasser … Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, / ich fürchte kein Unheil; / denn du bist bei mir.“ So lauten einige Verse aus dem Psalm 23 in der aktuellen „Einheitsübersetzung“. Es sind Bilder, die so gar nicht in den Straßenverkehr und in die Hektik des Alltags passen wollen – wie eine sonnige Insel im stürmischen Ozean. Und doch fasziniert diese Vision seit Jahrtausenden betende Menschen in verschiedensten Lebenslagen. Die Geborgenheit und Zuversicht, die aus diesen Zeilen spricht, könnte tatsächlich so etwas wie ein „Wunschkennzeichen“ derer sein, die sich der Fürsorge Gottes anvertraut wissen.

Heute lassen sich mit geringem Aufwand zahlreiche Übersetzungen der Bibel und auch des Psalms 23 im Internet finden. Sie alle können die aussagekräftigste Übertragung nicht ersetzen – jene, in die die Erfahrungen des eigenen Lebens eingeschrieben sind. Sie erwächst aus dem Vertrauen in den Grund des Lebens, in den Worten, wie sie uns Jesus – wohl auch aus seinem eigenen Beten dieses Psalms heraus – gelehrt hat: „Abba, Vater …“ Die genannte Fassung von Martin Buber beginnt übrigens so:
„ER ist mein Hirt,
mir mangelts nicht.
Auf Grastriften lagert er mich,
zu Wassern der Ruh führt er mich.

Autor:

Leopold Schlager aus Niederösterreich | Kirche bunt

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