Solidarität
Unermüdlich wie die Ameisen

Foto: Slouk
4Bilder

Die Solidarität für die Menschen in der Ukraine ist in diesen Kriegstagen enorm. Auch in Österreich setzen viele Menschen vom Neusiedler See bis zum Bodensee Zeichen und Taten für den Frieden. Ein Beispiel ist die griechisch-katholische Pfarre in Wien mit der ältesten ukrainischen Gemeinde in Österreich.

Monika Slouk

Der argentinische Papst sprach am Sonntag ukrainisch. Zumindest „Gelobt sei Jesus Christus“ lernte der 85-Jährige in der slawischen Sprache, um seinen Friedensappell am Petersplatz zu unterstreichen. „Lasst die Waffen schweigen“, war seine klare Botschaft an die Aggressoren und die Welt. Bereits am Vortag hatte Papst Franziskus den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskyj angerufen, um seine Anteilnahme an den Ereignissen auszudrücken. Und am Freitag war er in einer ungewöhnlichen Aktion zur russischen Botschaft in Rom „gepilgert“, um Botschafter Alexander Awdejew seine Meinung über den Krieg zu sagen.

Griechisch oder ukrainisch? Der Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk erzählte dem Papst am Telefon unter anderem davon, wie griechisch-katholische Priester und Gläubige Liturgie in Luftschutzbunkern feiern würden. Griechisch-katholisch nennt sich diese Form des Katholizismus in Absetzung zur römisch-katholischen Ausformung seit Maria Theresia. Man suchte nach einer Bezeichnung für die Katholiken, die ihre Liturgie nach byzantinischer Tradition feierten und die durch Gebietsgewinne ab 1772 zur Habsburgermonarchie gehörten. Da man „griechisch“ mit „byzantinisch“ gleichsetzte, entstand die etwas irreführende Bezeichnung „griechisch-katholisch“. Besonders in der Westukraine ist dieses Bekenntnis verbreitet, insgesamt gehören die meisten Menschen in der Ukraine zu einer der verschiedenen orthodoxen Kirchen.

Lange Tradition. Maria Theresia war es auch, die bereits 1775 das Wiener Konvikt „Barbareum“ des aufgehobenen Jesuitenordens der griechisch-katholischen Priesterausbildung widmete. Wenige Jahre später entstand hier die Zentralpfarre St. Barbara für die Katholiken des byzantinischen Ritus in Österreich, die in wenigen Jahren ihr 250. Jubiläum feiern kann. Daran verliert aber in diesen Tagen niemand einen Gedanken, denn zurzeit ist die Pfarre St. Barbara „ein Ameisenhaufen“, wie sie Pfarrer Taras Chagala liebevoll nennt. Etwa 100 Ehrenamtliche sind ununterbrochen an der Arbeit, in fünf Teams arbeiten sie an unterschiedlichen Aufgaben. Dazu gehören die Organisation von Demonstrationen, die Unterstützung von Flüchtlingen und das Sammeln von Verbandsmaterial und Medikamenten für verwundete Soldaten.

Ohne Kaffee. „Unsere zwei Kaffeemaschinen im Pfarrsaal waren nach drei Tagen kaputt“, erzählt Pfarrer Chagala eine Anekdote am Rande. Er fragte auf Facebook, ob jemand eine Kaffeemaschine übrighätte. „Als ich aus der Kirche zurückkam, standen da sechs Kaffeemaschinen!“ Das zeige, wie hilfsbereit die Menschen zurzeit sind. „Bei uns meldeten sich vier Syrer, die ihre Hilfe anboten. Sie könnten zwar nichts spenden, meinten sie, aber sie würden mit uns fühlen.“ Russen würden sich melden, um ihre Solidarität zu zeigen, und ein orthodoxer Jude sei vorbeigekommen um zu spenden. Zwei Feuerwehrautos aus Müllendorf wären vorgefahren, vollgefüllt mit Hilfsgütern für Flüchtlinge. Die Waren wurden auf LKWs umgeladen, die sie in die Westukraine brachten, wo sich derzeit viele Binnenflüchtlinge aus der Zentralukraine aufhalten.

Schutz für alle. Nach Österreich kommen noch wenige Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, vor allem deshalb, weil die Nachbarn Polen, Slowakei, aber auch Ungarn und Rumänien vorbereitet sind. Pfarrer Taras Chagala beschreibt einen Grenzübergang für Fußgänger, bei dem auf slowakischer Seite Privatpersonen mit Autos warten würden, um Flüchtlinge in Empfang zu nehmen und abzuholen. Was die Ukrainer in Österreich tun können, das tun sie, z. B. Schutzausrüstung für den „Heimatschutz“ organisieren. Denn Ukrainer, die nicht zur Armee gehören, würden zwar vom Staat mit Waffen ausgerüstet, erhielten aber keinerlei Schutzkleidung wie Helm, Schutzweste oder geeignete Schuhe. Das sei gefährlich, weshalb man sich auch darum kümmere.

Essen für alle. Aber auch haltbare Nahrungsmittel seien sehr gefragt, erklärt der engagierte Pfarrer, weil die Lebensmittelgeschäfte in manchen ukrainischen Orten mit Flüchtlingen bereits leergekauft sind. Was noch hilft? Eine Frau habe in der Kirche einen Gruß ihres Bruders von der Front vorgelesen mit der dringenden Bitte um Gebet. „Wir spüren euer Gebet“, schrieb er. „Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir beschützt werden, als ob wir unsichtbar würden.“

Freiheit über alles. Pfarrer Chagala ist sich sicher, dass der russische Präsident Putin es nur auf eines abgesehen hat. „Er kam nicht, weil er Land braucht oder Menschen, nicht einmal um die Bodenschätze geht es ihm, er hat von all dem genug! Er ist gekommen, um die Freiheit zu bekämpfen.“ Das könne man auch als Zeichen werten, dass die Ukraine etwas Gutes geschafft habe in den letzten Jahren, „sodass ein Diktator Angst hat vor der freien Ukraine“.

  • homesforukraine.eu Auf der neuen Webseite kann man eine Unterkunft für Flüchtlinge anbieten oder auch eine suchen.
  • st-barbara-austria.org Hier finden sich die Adressen der ukrainischen Gemeinden in Innsbruck, Salzburg, Linz, Klagenfurt und Graz.
  • caritas.at/ukraine Dort findet man die Nothilfe der Caritas.
Frieden für die Ukraine und Freiheit für Russland – dafür gehen Menschen auf die Straße und sammeln Sach- und Geldspenden. Demonstrationen, Friedensgebete, Lichtermeere, Gedenkminuten, Kundgebungen und Hilfsaktionen gibt es an vielen Orten in Österreich, wie hier in Wien.  | Foto: Slouk
  • Frieden für die Ukraine und Freiheit für Russland – dafür gehen Menschen auf die Straße und sammeln Sach- und Geldspenden. Demonstrationen, Friedensgebete, Lichtermeere, Gedenkminuten, Kundgebungen und Hilfsaktionen gibt es an vielen Orten in Österreich, wie hier in Wien.
  • Foto: Slouk
  • hochgeladen von Monika Slouk

Einschätzung

Präsident Putin ist überzeugt, dass Ukrainer und Russen ein Volk sind. Wie sehen Sie das?
Olha Uhryn: Diese Behauptung wird seit vielen Jahren von der russischen Propaganda als politisches Instrument verwendet mit der Absicht, die Identität der Ukraine zu verneinen oder sie der russischen Hegemonie unterzuordnen.

Die östlichen Teile der Ukraine gehörten Jahrhunderte zum russischen Reich, die westlichen zu Polen und teils zum Habsburgerreich. Was eint die Ukraine?
Uhryn: Die historische und kulturelle Vielfalt widerspricht nicht der Einigkeit und territorialen Einheit. Die Orange Revolution von 2004 und die Revolution der Würde von 2014 haben das politische Einheitsbewusstsein des Volkes gestärkt. Und nie waren die Ukrainer so vereint wie seit dem 24. Februar 2022. Das ganze Land eint der Wunsch, seine territoriale Integrität zu verteidigen. Auch die Diaspora auf der ganzen Welt organisiert Demos und humanitäre Hilfe.

Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf die Beziehungen zwischen den Kirchen aus?
Uhryn: Auch im religiösen Bereich sieht man Einmütigkeit. Putin hat die Religionen gegen sich vereint wie nie zuvor. Es gibt einen Gesamtukrainischen Rat der Kirchen und religiösen Organisationen, der über 95% des religiösen Sektors vertritt und der sich in den letzten Tagen einmütig gegen die Aggression ausgesprochen hat. Alle beten für den Frieden und unterstützen die Bevölkerung.

Olha Uhryn ist Universitäts-Assistentin für Theologie und Geschichte des Christlichen Ostens.

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ