4. Fastensonntag - Kommentar von Alfred Jokesch
Nicht nur sehend sein, sondern schauend

Wir sind in diesen Tagen mit Ereignissen und Maßnahmen konfrontiert, wie sie keiner von uns jemals erlebt hat. Da wird uns drastisch vor Augen geführt, wie verwundbar unsere hoch technisierte und global vernetzte Zivilisation ist. Die Überzeugung, wir hätten alles im Leben bestens im Griff und könnten Sicherheit und Planbarkeit bis ins Kleinste gewährleisten, erweist sich als Illusion. Jetzt sind wir gezwungen, diese Haltung loszulassen und uns in allen Lebensbereichen massiv einzuschränken, um ein Explodieren der Krankheit einzudämmen und Leben zu retten.
Betrachten wir diesen Ausnahmezustand doch als Fastenübung. Wir verzichten auf vieles um des Lebens willen. Beim Fasten geht es ja um eine Konzentration auf das, was wesentlich ist, was mich wirklich leben lässt. Es zeigt sich jetzt, dass Menschen die wirklich kostbaren Dinge des Lebens neu entdecken, dass sie mit Hilfsbereitschaft, Mitmenschlichkeit, Rücksicht und Phantasie auf die Krise reagieren. Auch das Gebet als Ausdruck einer spirituellen Verbundenheit mit allen gewinnt an Bedeutung. Es werden uns die Augen geöffnet für eine andere Qualität des Lebens.
Diese Erfahrung hat auch der Blindgeborene im Evangelium gemacht. Er ist nicht nur organisch sehend geworden, sondern auch mit dem inneren Auge, das ihn eine andere Wirklichkeit wahrnehmen lässt. Er hat zum Glauben gefunden, und der macht ihn nicht bloß zu einem sehenden Menschen, sondern zu einem schauenden. In der Begegnung mit Christus hat er in einem viel umfassenderen Sinn Heil gefunden.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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