7. Sonntag der Osterzeit | 24.05.2020
Meditation

Foto: pixabay/CC0

Innerlich verbunden

Freundschaft ist jene Beziehung, die aus einer geheimnisvollen Zuneigung, aus einer unerklärlichen Sympathie, aus einer gefühlsmäßigen Nähe zur anderen Person heraus entsteht. Zwischen den Freundinnen und Freunden stellt sich so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft her. Die Freundschaft lebt von der Uneigennützigkeit, vom Vertrauen und von der Loyalität. Sie hat so tiefreichende Wurzeln, dass die Zeit keine Rolle spielt, selbst wenn sich Freunde erst nach vielen Jahren wiedersehen. Es werden Verbindungen neu aktiviert, es werden Erinnerungen wieder wach, bis hin zum letzten Gespräch, das vor langer Zeit stattgefunden haben mag.
Mein Sohn, meine Tochter, pflege die Freundschaften, die dich menschlich und spirituell wachsen lassen. Kümmere dich um das Leben, die Schmerzen und Freuden deiner Freundinnen und Freunde. Biete ihnen deine Schulter an, wenn sie verletztlich sind und wenn ihnen ihre Niedergeschlagenheit die Sicht auf die Sterne raubt, die Orientierung geben. Sei dir dessen bewusst, dass sich die wahren Freundinnen und Freunde zeigen, wenn du leidest, wenn du im Leben, im Beruf und in der Liebe Ohnmacht erfährst. Sei für deine Freundinnen und Freunde ein wehrhafter Turm, der die schwache Burg ihres Pilgerlebens verteidigt. Jesus hat uns in den Kreis seiner Freunde eingeführt: Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was der Herr tut. Ich nenne euch vielmehr Freunde, denn ich gebe euch all das zu erkennen, was ich von meinem Vater vernommen habe (Joh 15,15). Sei immer ein Freund Gottes. Wenn du sein Freund bist, dann wirst du dich einer innerlichen Verbundenheit erfreuen, die viel größer ist als die unter irdischen Freundinnen und Freunden, und du wirst anderen Freundinnen und Freunden nahekommen, die zusammen mit dir fröhlich den Schritten des Meisters folgen.
Mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter, die Solidarität gehört zum Wesen des Menschen. Der Mensch lebt nicht einfach, er lebt zusammen mit anderen, er existiert nicht, sondern er koexistiert. Wir existieren nur, weil uns ein Band der Solidarität verbindet, das bereits der Mutter Erde selbst entspringt, die uns mit Tausenden von Fäden der gegenseitigen Abhängigkeit und der wechselseitigen Verknüpfungen mit allen übrigen Seinsformen und Energien zusammenfügt, welche es uns ermöglichen, das Leben, dessen wir uns erfreuen, weiter gedeihen zu lassen. Wir sind alle in der Weise miteinander verbunden, dass wir auf natürliche Weise solidarisch miteinander sind.

Leonardo Boff, in: Was uns zusammenhält,
Topos Taschenbuch, 2019, 26 f.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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