2. Sonntag im Jahreskreis | 15. Jänner 2023
Meditation

Foto: Karimiboroujeni/Unsplash

Eine Trotzdem-Frau

Ich möchte dir von Tamar erzählen.
Tamar gehört zur Familie von Jakob. Dem Gott versprochen hat, seine Nachkommen so zahlreich wie die Sterne am Himmel zu machen. Tamar ist mit einem der Söhne Judas verheiratet. Er stirbt jung, und Tamar wird kinderlos zur Witwe. Das ist ein Problem zur damaligen Zeit, denn ohne Mann ist die Existenz von Tamar nicht sicher. Also heiratet die junge Frau nach altem Recht den Bruder ihres Mannes, Onar, der auch nach kurzer Zeit stirbt. Aus Angst vor Tamar weigert sich Juda, ihr einen weiteren Sohn zum Mann zu geben. Er fürchtet um das Leben seiner Söhne, denn ganz eindeutig stimmt mit Tamar etwas nicht. Erniedrigenderweise schickt er Tamar zurück in ihr Elternhaus. Sie wird abgeschoben, wie ein unnützer, gefährlicher Gegenstand. Tamar könnte sich einfügen in ihr Schicksal. Sich ergeben und froh darüber sein, dass sie versorgt und in einer Gemeinschaft aufgehoben ist. Aber so ist Tamar nicht.

Tamar nimmt ihr Leben selbst in die Hand. Als sie hört, dass ihr Schwiegervater in ihren Ort kommt, setzt sie sich verschleiert und ohne Witwenkleider vor das Tor und wartet auf Juda. Sie wusste, er hatte ihr einen weiteren Sohn verweigert. Ihr ihr Recht verweigert. Als Juda sie erblickte, hielt er sie für eine Hure und schlief mit ihr.
Er ahnte nicht, dass es Tamar war. Tamar wurde schwanger von ihm, und als Juda dies hörte, wollte er sie bestrafen lassen. Denn sie hatte das Recht gebrochen. Nie hätte sie mit einem anderen als seinen Söhnen schlafen dürfen. Verbrennen sollte Tamar! Sie aber konnte bezeugen, dass sie von Juda schwanger war. Und Juda musste zugeben, dass Tamar im Recht gewesen war – und nicht er. Denn er hatte sie nicht mit seinem Sohn verheiratet. Tamar gebar Zwillinge, die nannte sie Morgenrot und Riss. Zwei Jungen. Doppelter Segen.

Tamar ist eine Trotzdem-Frau.
Stellt sich innerlich auf und sagt:
Ich will es trotzdem machen.
Vertrauen, dass es gut ausgeht.
In einer Welt, die mich klein machen will.
Der ich nichts zu bedeuten scheine.
Die mir sagt, sie brauche mich nicht.
Trotzdem.
Deshalb.
Weil ich eine gute Zukunft für mich möchte.
Nicht verzweifeln will.
An das Gute glauben mag. Muss.
Deshalb tue ich trotz allem dies hier
– trotzdem. Mit Blick in den Himmel.

JosepHine Teske,
evang. Pastorin in Hamburg
www.seligkeitsdinge.de

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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