4. Sonntag im Jahreskreis | 30. Jänner 2022
Meditation

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Im Lichte des ewigen Seins

Man unterscheidet in der gewöhnlichen Redeweise „Planvolles“ – und das gilt zugleich als „sinnvoll“ und „verständlich“ – und „Zufälliges“, was in sich sinnlos und unverständlich erscheint. Ich habe ein bestimmtes Studium vor und suche mir dafür eine Universität aus, die mir besondere Förderung in meinem Fach verspricht.
Das ist ein sinnvoller und verständlicher Zusammenhang. Dass ich in jener Stadt einen Menschen kennen lerne, der „zufällig“ auch dort studiert und eines Tages „zufällig“ mit ihm auf weltanschauliche Fragen zu sprechen komme, erscheint mir zunächst nicht durchaus als verständlicher Zusammenhang.

Aber wenn ich nach Jahren mein Leben überdenke, dann wird mir klar, dass jenes Gespräch von entscheidendem Einfluss auf mich war, vielleicht „wesentlicher“ als mein ganzes Studium, und es kommt mir der Gedanke, dass ich vielleicht „eigens darum“ in jene Stadt „gehen musste“.
Was nicht in meinem Plan lag, das hat in Gottes Plan gelegen. Und je öfter mir so etwas begegnet, desto lebendiger wird in mir die Glaubensüberzeugung, dass es – von Gott her gesehen – keinen Zufall gibt, dass mein ganzes Leben bis in alle Einzelheiten im Plan der göttlichen Vorsehung vorgezeichnet und vor Gottes allsehendem Auge ein vollendeter Sinnzusammenhang ist.
Dann beginne ich mich auf das Licht der Glorie zu freuen, in dem auch mir dieser Sinnzusammenhang entschleiert werden soll.

Das gilt aber nicht nur für das einzelne Menschenleben, sondern auch für das Leben der ganzen Menschheit und darüber hinaus für die Gesamtheit alles Seienden. Ihr „Zusammenhang“ im Logos ist der eines Sinn-Ganzen, eines vollendeten Kunstwerkes, in dem jeder einzelne Zug sich an seiner Stelle nach reinster und strengster Gesetzmäßigkeit in den Einklang des gesamten Gebildes fügt.
Was wir vom „Sinn der Dinge“ erfassen, was „in unseren Verstand eingeht“, das verhält sich zu jenem Sinnganzen wie einzelne verlorene Töne, die mir der Wind von einer in weiter Ferne erklingenden Symphonie zuträgt. In der Sprache der Theologen heißt der Sinnzusammenhang alles Seienden im Logos der göttliche Schöpfungsplan (ars divina). Das Weltgeschehen von Anbeginn ist seine Verwirklichung. Hinter diesem „Plan“ aber, hinter dem „künstlerischen Entwurf“ der Schöpfung, steht (ohne davon seinsmäßig getrennt zu sein) die ewige Fülle des göttlichen Seins und Lebens.

Aus: Edith Stein, Im verschlossenen Garten der Seele, topos taschenbücher, Band 1105

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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