21. Sonntag im Jahreskreis | 21. August 2022
Kommentar

Züchtigt uns Gott?

Gott sei Dank gibt es heute einen breiten Konsens darüber, dass körperliche und psychische Gewalt untaugliche Erziehungsmittel sind und in einer Kinderseele tiefe Wunden schlagen können, dass sie deren Entwicklung zu einer gesunden und selbstbewussten Persönlichkeit beeinträchtigen, sie klein und gefügig halten. Gewalt an Kindern werten wir als Symptom von Überforderung, als Akt der Verzweiflung, wenn der oder die Erziehende sich nicht mehr zu helfen weiß, aber sicher nicht als wünschenswertes pädagogisches Leitbild.

Da irritiert es umso mehr, wenn wir im Hebräerbrief lesen, dass Gott den Menschen züchtige und mit der Rute schlage – und dies als Erweis seiner Liebe. Möchte Gott, dass wir aus Angst vor Bestrafung seine Gebote halten und uns als willfährige Untertanen verhalten? So kann und will ich mir Gott nicht vorstellen. Deshalb versuche ich, die Absicht dieses Textes zu retten, indem ich ihn als etwas unglücklich gewählten und im Kontext seiner Zeit einzuordnenden Vergleich verstehe.

Heute hätte er vielleicht statt „züchtigen“ das Wort „ertüchtigen“ verwendet. Ein Trainer etwa lässt seine Schützlinge oft Übungen absolvieren, die anstrengend oder gar qualvoll sind, große Selbstüberwindung erfordern und einen Muskelkater nach sich ziehen. Sie sind aber nötig, um die Fähigkeiten des Sportlers zu verbessern und ihn stärker zu machen.

Ebenso braucht es auf dem Weg des Glaubens das regelmäßige Üben, Ernsthaftigkeit und Anstrengung. Wenn ich mich gehen oder treiben lasse, erschlafft nicht nur der Körper, auch der Geist wird träge, und ich verliere meinen Antrieb.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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