Reformationsjubiläum. Serie zum Lutherjahr 2017 | Teil 06
Ein Hammerschlag hallt durch Europa

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Die evangelische Stiftsschule in Graz
Schon 1538 gab es in Graz eine eigene evangelische Landschaftsschule, um die Söhne des Adels im Geiste der neuen Lehre zu erziehen. 1568 erwarben die steirischen Landstände das an der Mur gelegene, bereits baufällige Eggenbergerspital samt Kapelle und bauten die Anlage zu einem evangelischen Schulzentrum mit Kirche aus. lnfolge der unter Erzherzog Ferdinand erstarkten Gegenreformation bedeutete das Jahr 1598 das Ende für die evangelische Stiftsschule. 1602 wurde das Gebäude „geschenkweise“ von den Ständen der Mutter Erzherzog Ferdinands, Maria von Bayern, überlassen, die hier ein Klarissenkloster „Zu Allen Heiligen im Paradeis“ gründete. Nach der Aufhebung des Klarissenklosters im Jahre 1782 erwarb ein Braumeister die Klosteranlage und baute sie zu einem Wohnhaus um.
Die evangelische Stiftsschule stand auch Bürgerlichen zur Verfügung und führte bis zu juristischen und theologischen Lehrangeboten. Der Unterricht begann 1574 nach einer von David Chytraeus, Professor zu Rostock, erarbeiteten Schulordnung.
Sehr gute Schüler wurden mit Prämienmedaillen ausgezeichnet. Die Lehrkräfte kamen von deutschen Hochschulen, darunter der Astronom Johannes Kepler (1571 Weil der Stadt, Württemberg – 1630 Regensburg) aus Tübingen, der hier ab April 1594 Mathematik lehrte. ln Graz verfasste er sein erstes großes Werk, Mysterium Cosmographicum („Das Weltgeheimnis“).
Die Kepler’schen Gesetze besagen unter anderem, dass die Planeten sich in Ellipsenbahnen bewegen, womit Kepler das kopernikanische Weltbild weiterentwickelte. Er beschäftigte sich auch mit Astrologie und erstellte Horoskope. Nach seiner Ausweisung aus Graz im Jahre 1600 – er wird im Verzeichnis der „ungehorsamen“ Grazer Bürger als „Hannß Kepler, Mathematicus“ genannt – fand er am Prager Hof Kaiser Rudolfs II. Aufnahme und wirkte später in Linz. Dennoch ist der undogmatische Kepler konfessionell nicht völlig eindeutig zuzuordnen. Mit seinem mathematischen Fachkollegen an der Universität Graz, dem Schweizer Jesuiten Paul Guldin, verkehrte er freundschaftlich. Acht Briefe Keplers an ihn verwahrt die Grazer Universitätsbibliothek.
Wiltrud Resch/Günter Cerwinka

Das Landhaus in Graz
In der Herrengasse (bis in das 15. Jahrhundert: Bürgergasse), Ecke Landhausgasse, hatten die steirischen protestantischen Landstände 1494 ein Bürgerhaus erworben, in dem sie ihre Kanzlei einrichteten: die Anfänge des Landhauses. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts erweiterten die Landstände dieses Areal durch den Ankauf nebenstehender Häuser. Nach dem Brand von 1555 erfolgte 1557 bis 1565 der Neubau durch den Festungsbaumeister Domenico dell’Allio aus Lugano.
Im Landhaus tagten die Landstände, d. h. die Vertreter von Adel, Kirche sowie landesfürstlichen Städten. Die patrimonialen Städte und Märkte wurden durch ihre Stadtherren vertreten. Zudem waren die ständischen Behörden dort untergebracht. Es bildete einen sichtbaren Gegenpol zur landesfürstlichen Burg und war steingewordener Ausdruck des politischen Selbstbewusstseins der Stände.
Günter Cerwinka

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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