Synode 2021-2024 | Teil 5
Der Same keimt

Fr. Timothy Radcliffe ist geistlicher Ratgeber der Synode. | Foto: KNA

23. Oktober, Geistlicher Impuls von Fr. Timothy Radcliffe, OP.

In ein paar Tagen werden wir für elf Monate nach Hause gehen. Dies wird scheinbar eine Zeit des leeren Wartens sein. Aber es wird wahrscheinlich die fruchtbarste Zeit der Synode sein, die Zeit des Keimens. Jesus sagt uns: „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.“ (Mk 4,26f)

Wir haben in den vergangenen drei Wochen Hunderttausende von Worten gehört. Manchmal haben wir gedacht: „Zu viele!“ Die meisten von ihnen waren positive Worte, Worte der Hoffnung und der Motivation. Dies sind die Samen, die in den Boden der Kirche gesät werden. Sie werden in diesen Monaten in unserem Leben ... wirksam sein. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werden sie Früchte tragen.

Der österreichische Dichter Rainer M. Rilke schrieb: „Selbst wenn sich der Bauer sorgt und handelt, wo die Saat in Sommer sich verwandelt, reicht er niemals hin. Die Erde schenkt.“ Auch wenn nichts zu geschehen scheint, können wir vertrauen, dass unsere Worte, wenn sie liebevoll sind, im Leben von Menschen, die wir nicht kennen, aufgehen werden.

Diese elf Monate werden wie eine Schwangerschaft sein. Abraham und Sarah wird versprochen, dass sie Nachkommen haben werden, die zahlreicher sind als der Sand am Meeresstrand. Aber nichts scheint zu geschehen. Sarah lacht, als sie im Zelt versteckt den Fremden in Genesis 18 zuhört. Wahrscheinlich ist es ein bitter-süßes Lachen. Sie hat das alles schon einmal gehört, aber sie ist unfruchtbar geblieben. Aber in einem Jahr wird sie Isaak gebären, das Kind des Lachens.

Dies ist also eine Zeit der stillen Schwangerschaft. Verzeihen Sie mir, aber das erinnert mich an das erste Mal, als ich in Lateinamerika versuchte, eine Rede auf Spanisch zu halten. Ein Bischof war verwirrt – was sehr selten ist. Ich wollte sagen: „Der Bischof ist verlegen.“ In Wirklichkeit sagte ich aber: „Der Bischof ist schwanger.“ Das ist noch seltener!

Wenn wir nach Hause kommen, wird man uns fragen: „Habt ihr für unsere Seite gekämpft?“ Wir müssen zutiefst beten, um der Versuchung zu widerstehen, dieser parteipolitischen Denkweise zu erliegen. Das hieße, in die sterile, unfruchtbare Sprache eines Großteils unserer Gesellschaft zurückzufallen. Das ist nicht der Weg der Synode.
Wenn wir aber unseren Geist und unser Herz offen halten für die Menschen, denen wir hier begegnet sind, für ihre Hoffnungen und Ängste empfänglich sind, dann werden ihre Worte in unserem Leben keimen und unsere in ihrem. Es wird eine reiche Ernte geben, eine vollere Wahrheit. Dann wird die Kirche erneuert werden.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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