APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
7. Hatte Jesus Geschwister?

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Ja, die Bibel spricht mehrmals von Brüdern und Schwestern Jesu. Vier Brüder nennt sie sogar mit Namen: Jakobus, Joses (oder Josef), Simon und Judas (vgl. Mk 6,3; Mt 13,55f.). Ein einsames Einzelkind war Jesus demnach nicht. Aber Vorsicht, das bedeutet nicht unbedingt, dass diese Geschwister auch Kinder seiner Mutter Maria waren. Denn im Sprachgebrauch der Bibel ist die Bezeichnung „Brüder“ nicht auf leibliche Brüder beschränkt, sondern umfasst auch nahe Angehörige. So nennt Abraham seinen Neffen Lot „Bruder“ (Gen 13,8 und öfter). Im ersten Buch der Chronik (23,21–22) lesen wir, dass die Töchter Eleasars „ihre Brüder“ (so wörtlich übersetzt!) heiraten. Aus dem Zusammenhang wird aber klar, dass es sich um die Söhne ihres Onkels Kisch, also um Cousins handelt. So können auch die Brüder und Schwestern, mit denen Jesus in Nazaret aufwuchs, als nahe Verwandte, vielleicht als Cousins und Cousinen, verstanden werden.

Interessant ist eine außerbiblische, seit 150 n. Chr. nachweisbare Überlieferung, „Protoevangelium des Jakobus“ genannt, nach der Josef, als er sich mit Maria verlobte, Witwer mit bereits größeren Kindern aus einer früheren Ehe gewesen sein soll. Demnach wäre Jesus mit älteren Stiefgeschwistern in einer Patchworkfamilie aufgewachsen. Die Annahme, dass seine Brüder älter waren als er, würde gut erklären, warum sie sich ihm gegenüber manchmal wie Autoritätspersonen gebärden (vgl. Mk 3,31 in Verbindung mit 3,21; Joh 7,1–7).

Dass Jesus laut Johannesevangelium (19,26f.) in der Stunde seines Todes seine Mutter der Obhut eines Jüngers anvertraut, wird auch oft als Fehlen eines anderen leiblichen (!) Sohnes gedeutet, der jetzt die Sorgepflicht für die Mutter übernehmen hätte können.

Die katholische Kirche und alle orthodoxen Kirchen lehren, dass Maria nach der Geburt Jesu keine eigenen Kinder mehr hatte, sondern Jungfrau blieb. Auch der Reformator Martin Luther bezeichnet Maria als sempervirgo („Immer-Jungfrau“), und Huldrych Zwingli hält die Brüder Jesu für „fründ“ (Verwandte). Erst später, vielleicht auch um sich von der katholischen Marienverehrung abzusetzen, lehrten protestantische Theologen und Theologinnen bewusst, Maria habe mehrere Kinder geboren. Diese Ansicht hat sich im protestantischen Bereich durchgesetzt und findet sich heute auch unter katholischen Gläubigen. In der christlichen Kunst wurde Maria allerdings nie als Mutter mehrerer Kinder, sondern immer nur als Mutter Jesu dargestellt.

Viel wichtiger als die historische Frage, ob Jesus vor 2000 Jahren leibliche Geschwister hatte oder nicht, ist freilich die Frage, wer heute zu seinen „Geschwistern“ gehört. Denn wie sagt Jesus? – „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? – Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ (Mk 3,31–35) Darauf kommt es ihm an.

Karl Veitschegger

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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