Interview - Frère Alois
Die Freude teilen

Der Prior der Taizé-Gemeinschaft Frère Alois Löser erhofft sich von der Synode zur Synodalität, dass auch die Jugend wirklich Gehör findet. | Foto: KNA
  • Der Prior der Taizé-Gemeinschaft Frère Alois Löser erhofft sich von der Synode zur Synodalität, dass auch die Jugend wirklich Gehör findet.
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Frère Alois, Prior der Gemeinschaft von Taizé, im Interview über den Ukraine-Krieg, Fridays for Future, Synodalität und wie die Idee aufkam, vor dem Treffen der Weltsynode ein Jugendtreffen zu organisieren.

Anfang Oktober tagt die Weltbischofs-synode zum Thema Synodalität in Rom. Papst Franziskus hat die ökumenische Gemeinschaft von Taizé eingeladen, unmittelbar vor Beginn der Synode ein Treffen von Jugendlichen in Rom und ein ökumenisches Abendgebet auf dem Petersplatz zu organisieren. Dieses wird unter dem Motto „Together – Gathering of God’s People“ am 30. September stattfinden. Alois Kölbl und Mario Steinwender haben mit Frère Alois, dem Prior der Gemeinschaft von Taizé, über dieses Treffen, die Ökumene und die Spiritualität der Gemeinschaft von Taizé gesprochen.

Man liest, dass die Idee zum „Together“-Treffen spontan bei einem Gespräch zwischen Ihnen und Papst Franziskus entstanden sein soll. Wie ist es dazu gekommen?
Frère Alois: Die Idee zu diesem Treffen kam nicht ganz so spontan. Im Oktober 2021 hatte man mich gebeten, bei einer Vorbereitungskonferenz zur Bischofssynode in Rom kurz zum Thema Synodalität zu sprechen. Ich habe damals gesagt, dass die Synode auch Zeiten des Gebets, der Stille und des Durchatmens braucht und dass durch die Synode besonders die Einheit aller Getauften zum Ausdruck kommen soll. Diese Idee haben sowohl Kardinal Grech (Generalsekretär der Bischofssynode, Anm. d. Red.) als auch Kardinal Koch (Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, Anm. d. Red.) sehr positiv aufgenommen, und es wurde eine Gruppe gebildet, die sich dazu Gedanken machen sollte. Der Papst begrüßte diese Idee auch, und als ich im März dieses Jahres noch einmal persönlich mit ihm darüber sprach, hat er sich erneut sehr positiv geäußert – aber da waren schon alle Weichen gestellt. Jedenfalls hat der Papst bei einem Angelusgebet auf dem Petersplatz die Veranstaltung angekündigt. Für uns in Taizé bringt dieses Treffen auch die tiefe Verbundenheit mit dem Papst zum Ausdruck, und es freut uns natürlich sehr, dass auch dem Papst der ökumenische Aspekt des Treffens so sehr am Herzen liegt.

Die Weitergabe des Glaubens braucht ganz neue Formen und ein neues Verständnis.


Was erwarten Sie von der Bischofssynode? Was könnte das Jugendtreffen im Vorfeld dazu beitragen?
Das ist schwer zu beantworten, denn das Ganze ist ja eigentlich ein großes Abenteuer. Die katholische Kirche hat sich auf einen Weg gemacht, von dem niemand weiß, wohin er führen wird. Eine wichtige Dimension hat sich allerdings schon im Vorfeld abgezeichnet, dass nämlich alle Fragen auf den Tisch kommen dürfen, dass kein Thema ausgeschlossen wird und alle Stimmen gehört werden. Aus meiner Sicht ist das sehr wichtig: Wir müssen darüber sprechen, wie der Glaube gelebt werden kann, damit er für die Menschen der Welt von heute verständlich ist. Das „Together“-Treffen mit dem Abendgebet auf dem Petersplatz soll ein geistlicher Impuls sein und keine Plattform, wo Forderungen aufgestellt werden. Wir möchten den Teilnehmenden der Synode Mut machen, wirklich alle Fragen anzugehen.

Synoden und Synodalität gibt es mit unterschiedlichen Akzentuierungen in allen konfessionellen Traditionen. Was bedeutet für Sie Synodalität?
Es geht natürlich um Strukturen in den Kirchen und um die Frage, wie Verantwortung geteilt werden kann. Wie kann die theologische Tatsache, dass alle Getauften die Gemeinschaft der Kirche mittragen, im Leben der Kirche und in ihren Strukturen Ausdruck finden? Diese strukturellen Fragen sind wichtig, aber ich habe den Eindruck, dass Papst Franziskus noch tiefer gehen und grundsätzlich die Frage stellen will, wie der Glaube in unserer Zeit möglich ist.

Wie wird Glaube weitergegeben? Glaube kann ja nicht verordnet oder von oben angeordnet werden. Glaube entsteht, wenn diejenigen, die Verantwortung tragen, auf das Volk Gottes hören. Die Weitergabe des Glaubens braucht ganz neue Formen und ein neues Verständnis.
Ein kleines Beispiel: Kürzlich war eine Gruppe von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und geistigen Behinderungen in Taizé. Es war beeindruckend, was für eine tiefe Atmosphäre des Gebets allein durch
ihre Anwesenheit unter uns entstand. Auch Menschen, die auf unsere Zuwendung und Unterstützung angewiesen sind, können ganz konkret etwas beitragen und für unseren Glauben bewirken. Wir müssen uns bereit machen, das wahrzunehmen und für unseren Glauben fruchtbar werden zu lassen.

Der Krieg in der Ukraine wird von Seiten Russlands auch als Krieg gegen die Zersetzung klassischer christlicher Werte und gegen den westlichen Liberalismus inszeniert. Wie sehen Sie das?
Man kann mit dem Evangelium niemals Gewalt rechtfertigen oder Trennungen provozieren, auch nicht im Namen der Verteidigung christlicher Werte. Im Jahr 2015, während im Donbas bereits gekämpft wurde, haben wir von Taizé aus einen Pilgerweg initiiert und mit Jugendlichen die Karwoche in Moskau und die Osterwoche danach in Kiew verbracht. Jugendliche aus Moskau sind damals mit nach Kiew gekommen, obwohl ihre Familien sich große Sorgen machten und meinten, dass man sie in der Ukraine nicht aufnehmen würde. Doch sie wurden dort ganz wunderbar empfangen. Wir haben in Kiew unter anderem ein Militärspital besucht. Eine junge Frau aus Russland, die dabei war, brachte lange kein Wort heraus. Doch dann erzählte sie den ukrainischen Soldaten, wie sie als Kind oft ihre Cousins in der Ukraine besucht hatte. Sofort antwortete einer der Soldaten, dass seine Frau Russin sei, und ein anderer erzählte von seinen Verwandten in Russland. Es ist schlimm, dass diese beiden eigentlich so eng miteinander verbundenen Völker in diesem schrecklichen Krieg sind.

Wir tun alles, um mit Menschen, die wir in Russland kennen, in Verbindung zu bleiben. Viele leiden dort unter den tiefen Spaltungen und den auseinandertriftenden Ansichten – in Kirchengemeinden, aber sogar auch innerhalb von Familien. Es ist wichtig, auch weiterhin die tiefen Schätze der orthodoxen Kirchen anzuerkennen und uns von ihnen bereichern zu lassen: In dieser Spiritualität haben der Heilige Geist und das Gebet mit all unseren Sinnen viel mehr Raum. In Taizé hat die ostkirchliche Spiritualität, ihre Ikonen und Gesänge, von Anfang an eine große Rolle gespielt.

Die von jungen Menschen getragene Bewegung „Fridays for Future“ hat gezeigt, dass sie etwas bewirken können, was für ältere Menschen anscheinend nicht möglich war. Können Sie sich im Blick auf kirch-liche oder sogar allgemein religiöse Entwicklungen etwas Ähnliches vorstellen?
Ja, genau das erhoffen wir uns von den jungen Menschen auch für die Kirche! Gerade von ihnen kommen entscheidende Impulse, wie der Glaube heute gelebt werden kann. Für mich war diesbezüglich die Jugendsyn-
ode 2018 in Rom eine gute Erfahrung: Es wurde nicht über Jugendliche, sondern mit Jugendlichen gesprochen; man hat den jungen Menschen wirklich zugehört. Das erwarte und erhoffe ich mir auch von der Synode zur Synodalität in diesem Jahr.

Kann auch durch das Gebet die Einheit entstehen, von der Sie gesprochen haben? Worauf kommt es da für Sie an?
Ihre Frage trifft das Herz unserer Arbeit in Taizé. Wie kann das gemeinsame Gebet zu einer Quelle werden? Dafür braucht es einige konkrete Dinge. Natürlich kann man auch am Arbeitsplatz beten, aber um wirklich zur Ruhe zu kommen und ins Gebet zu finden, ist das Umfeld sehr wichtig. In Taizé versuchen wir, durch eine schlichte Gestaltung der Kirche möglichst vielen entgegenzukommen. Die Kraft und Schönheit, die in der Einfachheit liegen, bedeuten uns sehr viel. Eine schlichte Schönheit, welche die Herzen berührt, kann ja durchaus verbindend wirken und unmittelbar Gemeinschaft stiften. Für uns ist bei den gemeinsamen Gebeten auch sehr wichtig, dass wir alle in dieselbe Richtung schauen und dass keiner vorne steht und sagt, was als Nächstes kommt, sondern dass es ein gemeinschaftliches Tun ist. Gemeinsam still sein ist für uns etwas ganz Wichtiges. In der Stille kann ich so sein, wie ich bin, und ich kann spüren, was tief in mir vorgeht. Gleichzeitig eröffnet die gemeinsame Stille eine Weite, die mich trägt. Das ist etwas anderes, als wenn ich irgendwo allein in Stille bin. Und wir haben für das gemeinsame Gebet auch die lebendige Tradition. Wir brauchen nicht alles neu zu erfinden. Wir haben die Tradition der Psalmen, die seit Jahrtausenden gebetet werden. Das öffnet uns für die Menschen, die diese Gebete vor uns gesprochen und mit ihrem Leben gefüllt haben. In den Psalmen kommen alle Dimensionen des menschlichen Daseins zum Ausdruck: Vertrauen, Dankbarkeit und Sehnsucht, aber auch die Auflehnung gegenüber Gott und der Zweifel. Das alles könnte in unseren Gebeten noch viel mehr Platz haben.

Was sollten junge Menschen zum Treffen in Rom, außer vielleicht einer Matte, auf der man schlafen kann, mitbringen?
Die Freude! Die Freude am Leben und die Freude am Glauben. Gerade in der schwierigen Zeit, in der wir leben, ist es so wichtig, dass wir uns gegenseitig in dieser Freude bestärken. Eine Freude, die vor den Problemen dieser Welt nicht die Augen verschließt, sondern die Freude aus dem Vertrauen auf den Auferstandenen, der uns die Welt mit neuen Augen sehen und auf neue Weise an der Lösung der Probleme arbeiten lässt.

Interview: Alois Kölbl, Mario Steinwender

Mit der KHG nach Rom
Die KHG Graz bietet für Studierende, Jugendliche und junge Erwachsene von 18 bis 35 Jahren eine gemeinsame Fahrtmöglichkeit zum Treffen „Together – Gathering of God’s People” von 26.9. bis 2.10.2023 in Rom, bei der im Vorfeld des Treffens bereits einige Highlights der
Ewigen Stadt gemeinsam besichtigt werden.
Anmeldung: hochschulseelsorger@khg-graz.at
Info: www.khg-graz.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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