Kunstgeschichte
Verlorenes Paradies entdeckt

Das Himmlische Jerusalem, wie es in der Offenbarung des Johannes beschrieben ist, wurde 2017 bei Restaurierungsarbeiten in der Pfarrkirche von St. Marein bei Neumarkt entdeckt. Die Kunsthistorikerin Romana Paar befasste sich in Ihrer Abschlussarbeit damit. | Foto: Paar
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  • Das Himmlische Jerusalem, wie es in der Offenbarung des Johannes beschrieben ist, wurde 2017 bei Restaurierungsarbeiten in der Pfarrkirche von St. Marein bei Neumarkt entdeckt. Die Kunsthistorikerin Romana Paar befasste sich in Ihrer Abschlussarbeit damit.
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St. Marein bei Neumarkt. Pfarrkirche verbarg Sensation: Mittelalterliche Fresken unter acht Farbschichten zeigen seltene Szene.

In einer kleinen romanischen Pfarrkirche im steirischen St. Marein bei Neumarkt ereignete sich 2017 ein Sensationsfund. Im Zuge von Renovierungsarbeiten kam im Gewölbe des Chorquadrats unter acht Farbschichten eine erstaunlich gut erhaltene mittelalterliche Wandmalerei hervor. Zunächst war nicht ganz klar, um welche Szene es sich handeln könnte, da nur einige Gebäude und Engel sichtbar waren (siehe Bild 1).

Foto: Paar

Jedoch offenbarte sich bald auch eine Stadtmauer, vier geöffnete Stadttore, vier Türme und die 12 Apostel. Dann gab es keinen Zweifel mehr. Es handelt sich um eine der seltenen Darstellungen des himmlischen Jerusalems. Diese Darstellung aus der Offenbarung des Johannes, des letzten Buches des Neuen Testaments, ist bis heute in dieser „reinen“ Form, in welcher sie in St. Marein zu bestaunen ist, in nur zwei weiteren Kirchen in Österreich zu sehen: In der Westempore des Doms zu Gurk in Kärnten und in der Nikolauskirche in Matrei in Osttirol.

Restaurationen an Fresken bringen viel Schönes, aber auch Gefahren mit sich. Es stellte sich als besonders schwierig heraus, zwei direkt aufeinanderliegende Schichten zu trennen, da der Zustand, den über 800 Jahren ihres Bestehens geschuldet, in einigen Bereichen sehr fragil war: Die ältere, unterste Schicht aus dem späten 13. Jahrhundert und eine jüngere, mittelalterliche Schicht. In den vier Zwickeln lässt sich die Nähe der beiden Schichten besonders gut erkennen. Hier handelt es sich um eine auf den ersten Blick höchst sonderbare Vermischung zweier Szenen (siehe Bild 2).

Foto: Paar

Zu sehen ist eine Verschmelzung der älteren Schicht mit der mittelalterlichen Übermalung. Im unteren Bereich (Beine und Tier) ist eine Personifikation des Elements Erde zu sehen, wobei es sich im oberen Bereich um einen Kirchenvater handelt.

Wandmalereien sind eine besonders gefährdete Kunstgattung. Zum einen, weil sie direkt mit ihrem Trägermaterial, der Kirche, verbunden sind und somit auch dem natürlichen Zerfall, der Witterung und äußerer Einflüsse ausgesetzt sind. Im Vergleich zu anderen Kunstgattungen lassen sich Fresken nicht so einfach zum Schutz in Archive bringen.
Sie sind auf unsere Hilfe, unser wachsames Auge und die Investition von Zeit und Geld angewiesen.

Unentdeckte Schätze auftun
Dabei spielt auch der Kirchenbeitrag eine wichtige Rolle für den Erhalt dieser einzigartigen Kunstgattung. Mit der Instandhaltung von Kirchengebäuden wird der Erhalt dieser Kunstwerke gewährleistet. Jeder Cent zählt, damit auch weitere Generationen nach uns das Glück haben und sich an diesen alten Schätzen erfreuen dürfen. In Zeiten knapper öffentlicher Mittel und einer sich schnell verändernden Gesellschaft können diese Beiträge oft über den Fortbestand und den Schutz solcher Kunstwerke entscheiden.

Die Entdeckung des Himmlischen Jerusalems von St. Marein bei Neumarkt ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie viel von unserer Geschichte und Kultur noch unentdeckt direkt in unserem Umfeld unter vielen Farbschichten verborgen liegt. Diese Kunstwerke sind ein Fenster in die Vergangenheit und ermöglichen es uns, das zu erblicken, was viele Generationen vor uns auch sahen. Mein Herz als Kunsthistorikerin schlägt für die Erhaltung dieser unwiederbringlichen, oft unscheinbaren Zeitzeugen. Ich hoffe, Ihnen geht es genauso.

Romana Paar

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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