Aus meiner Sicht - CR Herbert Meßner
Wie wird man ein Heiliger?

Ein sehr schwieriger und unverträglicher Mann war gestorben: ein Säufer, Raufbold und echter Halunke. Er hatte einen Bruder, der ähnlich und noch ärger war. Dieser Bruder besprach mit dem Pfarrer das Begräbnis und drohte: Wehe Ihnen, wenn Sie über meinen Bruder etwas Negatives sagen. Sie werden bei der Predigt gefälligst sagen, dass er ein Heiliger war. Verstanden?

Eingeschüchtert stimmte der Pfarrer zu. Beim Begräbnis sagte er dann in der Predigt: Unser Verstorbener war leider ein sehr problematischer Mensch: Alkoholiker, aggressiv und ein richtiger Halunke. Aber im Vergleich zu seinem Bruder war er ein Heiliger.

Oft besuche ich Menschen, um mit ihnen das Begräbnis eines Angehörigen vorzubereiten. Ich frage sie meistens, wofür sie dem Verstorbenen gerne zum Abschied danken möchten. Mir ist wichtig, dass solche Gespräche ehrlich sind. Ehrliche Dankbarkeit, keine künstliche Lobhudelei. Auch Probleme, die es beim oder mit dem Verstorbenen gab, sollen ehrlich benannt werden. Nur dann kann auch die Abschiedsfeier einschließlich der Predigt stimmig sein.

Hintereinander feiern wir Allerheiligen und Allerseelen. Wir wollen unsere Verstorbenen im Kreis der Heiligen, in Gottesnähe finden, nicht so sehr als „arme Seelen“.

Heiligkeit besteht freilich nicht einfach in einem braven Leben. Sie ist ein Geschenk Gottes. Ganz ruhige, unauffällige, „stille Heilige“ gehören dazu. Aber auch Menschen mit vollem Einsatz, richtige „Typen“. Besuchen wir sie alle mit Dankbarkeit an ihren Gräbern.

Herbert Meßner, Chefredakteur

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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