Mutworte - Br. David Steindl-Rast
Segen – der Pulsschlag aller Lebendigkeit

Foto: Norbert Kropf

„Sei gesegnet ohne Ende, Heimaterde“ waren die Anfangsworte der österreichischen Staatshymne, die wir Volksschulkinder einst singen lernten. Dieses Segenslied war Zeichen unserer Vaterlandsliebe. Segnen heißt ja ein Zeichen setzen, wenn etwa der Vater als Segenszeichen dem Kind die Hände auf den Scheitel legt. Wer genau hinhorcht, kann sogar hören, dass stammverwandte Wörter für Zeichen – wie Signal und signieren –
an „segnen“ anklingen. Segen ist die Signatur des Seins. „Nur einfach da sein ist schon Segen“, sagte der große jüdische Weise Abraham Joshua Heschel.
Segen ist – richtig verstanden – der Pulsschlag aller Lebendigkeit. Aber für uns persönlich wird dieser Blutkreislauf des Universums erst dann lebensspendend, wenn wir ihn dankbar empfangen und segnend durch uns hindurch weiterströmen lassen. Auch das Wasser des Jordan-Flusses – ein Sinnbild für Segen – kann uns dies lehren. Frisch und erfrischend springt es vom Libanon-Gebirge herunter, füllt den See Gennesaret bis zum Rand und macht seine Ufer zu einem Bild des Paradieses. Gärten, Weinberge und Olivenhaine schäumen über von Früchten, und im See selbst wimmelt es von Fischen. Dann fließt der Jordan weiter und mündet im Toten Meer.
Was für ein Unterschied! Hier sind die Ufer eine unfruchtbare Wüste, und kein Fisch kann überleben. Aber ist es nicht dasselbe Wasser? Die Antwort lautet: Ja, tatsächlich, es ist dasselbe Wasser, aber nur solange es strömt, spendet es Leben.

Aus: David Steindl-Rast,
Die Kraft des Staunens. Der Schönheit der Welt begegnen. Kneipp Verlag Wien, 2022.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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