Schweigen die Gesetze?

Militärbischof Werner Freistetter stellte und beantwortete Fragen einer Ethik des Soldaten in einer Vorlesungsreihe im Grazer Quartier Leech am 10. Jänner. Krieg bedeutet eine enorme ethische Gratwanderung. | Foto: Neuhold
  • Militärbischof Werner Freistetter stellte und beantwortete Fragen einer Ethik des Soldaten in einer Vorlesungsreihe im Grazer Quartier Leech am 10. Jänner. Krieg bedeutet eine enorme ethische Gratwanderung.
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Ethik des Soldaten. Mündigkeit und Gewissen sind gefragt.

In den gegenwärtigen kriegerischen Auseinandersetzungen scheint sich ein von Cicero geprägtes Wort drastisch zu bewahrheiten: „Unter den Waffen schweigen die Gesetze.“ Im Krieg scheint jegliches Gesetz, selbst das international anerkannte Völkerrecht, dem Recht des Stärkeren weichen zu müssen. Oder der Willkür des stärker Bewaffneten.

Gerade in diesen Grenzsituationen stellt sich die Frage, ob und wie unter Waffen die Sitte oder Ethik ihren Anspruch geltend machen kann und muss. Dies gilt besonders für den Soldaten, der als mit Waffengewalt Betrauter das Recht des Stärkeren überantwortet bekommt und zugleich gefordert ist, einem ethischen Anspruch zu genügen.

Der österreichische Militärbischof Werner Freistetter legte dazu im Grazer Quartier Leech der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Gedanken zur „Ethik des Soldaten“ vor. Während bis zum Ersten Weltkrieg Soldaten den Befehlen ihrer Vorgesetzten normalerweise unkritisch Folge zu leisten hatten, wird heute den Soldatinnen und Soldaten als mündigen Entscheidungsträgern die Verantwortung für ihr Handeln zugemutet.
Dementsprechend, so Bischof Freistetter, ist der einzelne Soldat, die einzelne Soldatin aufgefordert, sich ein klares Bild der Situation zu machen und mit geschultem Gewissen in den Extremsituationen des Krieges eine Entscheidung zu treffen. Vorgesetzte und Befehlshaber stehen dafür in der moralischen Pflicht, die Soldaten und Soldatinnen nicht fragwürdigen und moralisch uneindeutigen Situationen auszusetzen oder in Herausforderungen allein zu lassen.

Auf dem Hintergrund seiner langjährigen persönlichen Erfahrungen als Militärseelsorger am Golan, in Bosnien, im Kosovo und im Libanon gelang es Bischof Freistetter, klar vor Augen zu führen, dass in demokratisch verfassten Staaten das Militär keinen ausgesonderten Bereich darstellt, sondern Mündigkeit und gut gebildetes Gewissen gefordert sind.

Der Militärbischof war Gast in der Vorlesungsreihe „Ethik des Friedens“, veranstaltet vom Institut für Ethik und Gesellschaftslehre (Theologische Fakultät) mit dem Afro-Asiatischen Institut und der KHG.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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