Kinderarbeit stoppen
Bitterer Beigeschmack

Durch die Arbeit in Kakaoplantagen leidet der 11-jährige Michael unter Rückenschmerzen. Die Partnerorganisation der Dreikönigsaktion, Nature Aid Ghana, sorgt dafür, dass das Verbot von Kinderarbeit eingehalten wird. | Foto: Nature Aid Ghana/Isaac Addai
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  • Durch die Arbeit in Kakaoplantagen leidet der 11-jährige Michael unter Rückenschmerzen. Die Partnerorganisation der Dreikönigsaktion, Nature Aid Ghana, sorgt dafür, dass das Verbot von Kinderarbeit eingehalten wird.
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Kinderarbeit kommt u. a. besonders oft bei Kakaoanbau vor, erzählt Sr. Regina aus Ghana. Sie appelliert an alle Kinder und Erwachsenen in Europa, sich gegen Kinderarbeit einzusetzen, um Schokolade und Kakao ohne Schuldgefühle genießen zu können.

Als Feiertag steht der 1. Mai für die mühsam erkämpften Rechte der ArbeitnehmerInnen. 160 Millionen Kinder in den Ländern des globalen Südens haben leider nichts zu feiern. Schwere Arbeit hat fatale Folgen für ihre körperliche und psychische Entwicklung. Von 1. Mai bis 12. Juni engagieren sich Kinder in ganz Österreich für mehr Aufmerksamkeit für das Thema unter dem Codewort „Kinderarbeit stoppen“. Zu Gast aus Ghana war die Menschenrechts- und Kinderschutz-Beauftragte der Caritas in Afrika, Sr. Regina. Radio Orange gab sie ein Interview über ihre Arbeit:

Wo stoßen Sie in Ihrer Tätigkeit auf das Thema Kinderarbeit?
Sr. Regina: Als Verantwortliche für Menschenrechte bei Caritas Ghana bin ich beauftragt, Kinderhandel am Volta Lake zu bekämpfen. Dabei treffe ich viele gerettete Kinder. Ich organisiere die Hilfe und Fürsorge für diese Kinder. Es gibt sehr viele Kinder, die mit ihren Familien auf den Kakao-Farmen arbeiten.
Ich bin im Dorf aufgewachsen. In meinem Dorf gibt es keinen Kakao. Bei uns werden Kochbananen und Yamswurzeln angebaut. Normalerweise gehst du mit den Eltern auf die Felder und hilfst mit. Aber in manchen Regionen von Ghana müssen Kinder richtiggehend schuften und schwerste Arbeiten verrichten. Weil ihre Eltern weder ihre Existenz noch die der Kinder sicherstellen können, verkaufen sie ihre Kinder. Sie enden dann
auf den Plantagen, in den Kakao-Farmen oder in der Fischerei. Ich kam als Jugendliche mit diesen Menschen in Berührung. Ihre Schicksale haben mich sehr berührt und mich dazu bewegt, mit von Armut betroffenen,
vulnerablen Kindern zu arbeiten.

Gibt es Menschenhandel im Kakaoanbau?
Nein. Da gibt es große Unterschiede. In der Fischerei gibt es wirklich Kinderhandel. Die Kinder werden tatsächlich verkauft! Aber im Kakaoanbau arbeiten die Kinder mit den eigenen Eltern. Das sind KakaobäuerInnen. Sie können den Schulbesuch ihrer Kinder nicht finanzieren. Sie arbeiten am eigenen Hof mit, ohne zur Schule zu gehen. Manche bleiben bei Verwandten, die sie auf die Felder schicken. Das bedeutet, es gibt ausbeuterische Kinderarbeit, aber keinen Kinderhandel. Kinder werden hier nicht verkauft. Formen ausbeuterischer Kinderarbeit kommen sehr häufig vor. Das ist allgemein eine Lebens-
realität unter KakaobäuerInnen.

Arbeiten Sie persönlich mit Kindern, die im Kakaoanbau arbeiten müssen?
Mit Caritas Ghana haben wir eine Sensibilisierungskampagne gestartet, um Kinder, Eltern und Dorfgemeinschaften auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Um ihnen die wichtige Rolle von Bildung aufzuzeigen. Damit sie ihre Kinder nicht ausbeuten bzw. Schwerstarbeit auf den Feldern verrichten lassen. Sie sollen den Kindern ermöglichen, die Schule zu besuchen. Denn manche tragen aufgrund der schweren Arbeit auf den Feldern gesundheitliche und psychische Schäden davon. Während sie auf den Feldern den ganzen Tag schuften, bekommen viele nicht einmal eine Mahlzeit, weil die Eltern einfach nichts haben. Hier hakt die Kampagne von Caritas Ghana ein. Die Kampagne und die Arbeit mit den Eltern, den Dorfgemeinschaften und Schulbehörden finanziert die Dreikönigsaktion. Wir arbeiten in jenen Dörfern, wo Kinderarbeit in Kakaoplantagen vorherrscht.

Ist Bewusstseinsarbeit genug, wenn die Familien einfach zu arm sind? Sie brauchen ja die Arbeitskraft ihrer Kinder, um die Feldarbeit zu schaffen und ein Einkommen zu erwirtschaften, oder?

Ja und nein. Ja, im Sinn von: Sie verstehen und sind sich bewusst, dass es wichtig ist, ihre Kinder zur Schule zu schicken.
Nein, weil sie die Mittel dazu nicht haben. Das bedeutet: Wenn sie den Kindern den Schulbesuch erlauben, dann fragen sie, wer die Arbeit am Feld erledigen wird. Ich erinnere mich gut an eine Begegnung mit Eltern in einem der Dörfer, wo wir gerade unser Projekt durchführten. Das war 2021. Manche sagten: „Gut, wenn ihr nicht wollt, dass wir unsere Kinder aufs Feld schicken und ihre Arbeitskraft nützen, dann helft uns, andere Geschäfte (Speisenverkauf, Nähereien …) aufzubauen. Unterstützt uns finanziell.
Dann müssen wir nicht ausschließlich vom Kakaoanbau leben, können Arbeitskräfte anheuern und die Schulbeiträge bezahlen.“
Allerdings können wir von Caritas Ghana ihnen nicht das Schulgeld zahlen. Dazu fehlen uns die Mittel. Aber das sind Ergebnisse unserer Bewusstseinskampagne.

Offensichtlich können die Familien nicht vom Kakaoanbau leben. Denken Sie, Veränderungen im weltweiten Handel, höhere Preise für den Kakao könnten den Kindern in Ghana helfen?

Es wäre wichtig, dass KakaobäuerInnen darin unterstützt würden, sich gut um ihre Kakaofelder zu kümmern, und dass der Staat mehr für den Kakao bezahlen würde. Dann könnten sie sich besser um ihre Kinder kümmern. Würde das Kakaoboard den Preis anheben, könnten KakaobäuerInnen davon leben.

Sie arbeiten direkt mit den Kindern. Haben Sie eine Botschaft oder einen Wunsch an die KonsumentInnen von Schokoladen in Österreich, wo der Verbrauch von Kakao extrem hoch ist?

Ja. Ich wünsche mir, dass alle in Europa, Kinder und Erwachsene, die gern Schokolade essen oder Kakao trinken, sich bewusst sind, wer den Kakao anbaut und erntet. Dass sie diese Kinder darin unterstützen, dass sie
zur Schule gehen können, und ihre Eltern, dass sie verstehen, wie wichtig es ist, dass
ihre Kinder eine Ausbildung bekommen.
Aber sie sollen den Kakao genießen dürfen, ohne Schuldgefühle!

Was ist Ihr persönlicher Antrieb für Ihr Engagement gegen Kinderarbeit?
Ich bin in einem Dorf aufgewachsen. Aber ich bin meinen Eltern sehr dankbar. Denn wir waren sieben Geschwister. Meine Eltern haben drauf Wert gelegt, dass wir alle zur Schule gehen können. Und dass wir nicht zu hart arbeiten. So bin ich im Dorf aufgewachsen. Später bin ich weggegangen nach Akkra, um dort weiter zur Schule zu gehen. Ich wollte Nonne werden. Denn seit ich das erste Mal im Dorf eine gesehen habe, wollte ich Nonne wollen. Ihre Gewänder haben mich sehr beeindruckt. Ich wollte diese Form der Arbeit machen. So hat das begonnen. Eines Tages hab ich meinen Eltern gesagt, ich möchte mein Leben Gott widmen. Mein Vater war sofort einverstanden. Aber er wollte, dass ich davor etwas lerne. Mein erstes Interesse war, Computer Science zu studieren. Also bin ich zum Studieren nach Akkra gegangen. Dort bin ich dann auch ins Kloster und bin Nonne geworden.

Was sind schöne Erfahrungen in Ihrem Leben?
Das Thema, anderen Menschen zu helfen. Das erfüllt mich mit großer Freude! Die Menschen, denen wir geholfen haben, sind heute Pflegekräfte, LehrerInnen oder arbeiten an der Universität. Manche rufen mich an und sagen mir: „God bless you! Ohne Sie hätte ich es nicht dahin geschafft, wo ich heute bin.“ – Das macht mich jedes Mal sehr glücklich, dass ich etwas bewirkt habe. Das treibt mich immer noch an. Zu sehen, wie Menschen vorankommen und sich gut entwickeln können, bereitet mir Freude. Sie auf ihrem Weg aus ihrer benachteiligten, oft katastrophalen Lage heraus in eine bessere Zukunft zu begleiten erfüllt mich mit größter Freude.

Was würden Sie tun, wenn Sie die Welt neu gestaltetn dürften?
Als erstes die Bildung von Kindern an die erste Stelle stellen. Dann Frauen in Führungspositionen setzen. Denn Frauen tragen enorm zu unserer Gesellschaft bei. Und als drittes unsere Bauern und Bäuerinnen unterstützen, denn sie ernähren uns. Ohne sie würden wir nicht überleben.

Was hat Sie an Europa überrascht?
Es ist aufregend. Es erweitert auch den Horizont. Wie man z. B. miteinander spricht und zusammenlebt. Wien ist z. B. sehr sauber. Ghana ist nicht so sauber. Manchmal komme ich von Reisen zurück, und ich möchte meinen Leuten davon erzählen und sie darauf aufmerksam machen. Z. B. bei Umweltthemen und wenn es um Umweltverschmutzung geht. Ich sage zu ihnen: Im Ausland halten sie ihre Umwelt sauber. Wir können das auch schaffen. Wenn wir unsere Häuser sauber halten, werde unsere NachbarInnen fragen, wie wir das machen. Und wir sagen ihnen das. So Schritt für Schritt wird die Gemeinschaft lernen, es besser zu machen. Und auf meinen Reisen habe ich gelernt: Bildung ist alles!

Was können wir von Ghana lernen?
Wir sind sehr gastfreundlich. Egal ob wir dich kennen oder nicht, kannst du in unser Haus kommen. Egal ob du angekündigt wurdest oder nicht. Du kannst zu uns kommen und einen Platz zum Schlafen bekommen.

Sr. Regina ist Menschenrechtsbeauftragte der Caritas Ghana und Kinderschutzbeauftragte der Caritas Africa.

Petition unterschreiben
Geben Sie Ihre Stimme ab gegen Kinderarbeit unter
www.kinderarbeit-stoppen.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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