Interview
Träume verstehen lernen

Als Wegweiser zu einem Leben in Fülle versteht die Theologin und langjährige Geistliche Begleiterin Waltraud Schaffer Träume. 
Bei einem Studientag möchte sie Verstehenshilfen für Träume und biblische Texte vermitteln.  | Foto: Rye Bon/Pexels
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  • Als Wegweiser zu einem Leben in Fülle versteht die Theologin und langjährige Geistliche Begleiterin Waltraud Schaffer Träume.
    Bei einem Studientag möchte sie Verstehenshilfen für Träume und biblische Texte vermitteln.
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Träume gehören für die Geistliche Begleiterin Waltraud Schaffer zum Kern unserer Spiritualität. Im April hält sie einen Studientag dazu.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit Träumen zu beschäftigen?
Träume spielen, solange ich zurückdenken kann, eine sehr große Rolle in meinem Leben. In der Kindheit hatte ich ganz schreckliche Albträume. Ich hätte mir damals jemanden gewünscht, mit dem ich darüber hätte reden können. Was ich Nacht für Nacht erlebe, ist ganz großes Kino. Ich kann den Sternen-himmel in der Wüste sehen und in der gleichen Nacht noch auf dem Gipfel des Wilden Kaisers stehen. Diese bildstarken, gefühlsintensiven, teils auch skurrilen und humorvollen Traumerfahrungen spiegeln mir Fragen, Aufgaben und Konflikte meiner jeweiligen Lebenssituation und geben mir Hinweise darauf, was ein guter nächster Schritt sein könnte. Letztlich führen Träume fast immer in eine größere Freiheit und Weite. Es fasziniert mich bis heute, welch hervorragende Lebensbegleiter Träume sind.

Was ist Traum-Arbeit? Und wie passt sie zu Geistlicher Begleitung?
Kurz gesagt, würde ich Traumarbeit als Übersetzungsarbeit bezeichnen. Für den Psychoanalytiker Erich Fromm ist das Verständnis der Traumsprache eine Kunst, die – wie jede andere Kunst – Kenntnisse, Talent, Erfahrung und Geduld erfordert. Für ihn ist die Symbolsprache die einzige Fremdsprache, die jeder von uns lernen sollte. Ich finde dies nicht nur in Bezug auf unsere Träume wichtig, sondern auch für das Verstehen der Bibel.

Meiner Erfahrung nach können die meisten Menschen heute weder ihre Träume noch Bibelstellen so verstehen, dass sie daraus für ihre Spiritualität und ihr Leben notwendige und hilfreiche Einsichten gewinnen. „Ein unverstandener Traum ist wie ein ungeöffneter Brief“, heißt es im Talmud. So ähnlich sehe ich es mit Bibelstellen, wenn wir sie nicht in der Tiefe ihrer Bedeutung ergründen können. Deshalb bemühe ich mich seit vielen Jahren im Rahmen der Geistlichen Begleitung, bei Vorträgen, Seminaren, in Traumgruppen …, das Interesse für die Botschaft der Träume und der Bibel zu wecken und Verstehenshilfen zu vermitteln.

Wie läuft die Arbeit an einem Traum ab?
Voraussetzung für eine gute Traumarbeit ist, dass Träume so genau wie möglich aufgeschrieben werden. Gerade unbedeutend erscheinende Details können erstaunliche Hinweise enthalten. Meist reagieren Träume auf das, was uns zur Zeit beschäftigt. Deshalb ist es wichtig, den Lebenskontext zu kennen. Eine zentrale Verstehenshilfe sind die Gefühle im Traum und beim Aufwachen.

Beim Verstehen der Bild- und Symbolsprache geht es zuallererst um persönliche Assoziationen, erst danach greife ich auf mein Wissen der Traumsprache zurück oder weise auf Bibelstellen, Märchen, Mythen, Sagen und die Symbolkunde hin. Das alles ist aber nur sinnvoll, wenn das, was durch die Traumarbeit erkannt wird, auch ernst genommen und gelebt wird.

Was macht einen Traum interessant?
Da ich davon ausgehe, dass Träume Botschaften für uns bereithalten, die man mit Zeit und Interesse in Teilen auch erschließen kann, ist jeder Traum interessant. Besondere Aufmerksamkeit verdienen Schlüsselträume, Wiederholungsträume, Albträume und Träume mit kreativem Potenzial. Man weiß von KünstlerInnen, dass sie Ideen aus ihren Träumen hatten, wie z. B. Marc Chagall den blauen Engel.

Auch die Bibel erzählt von Träumen …
Ja, einer meiner Lieblingsträume in der Bibel ist der Traum Jakobs von der Himmelsleiter (Gen 28, 10-22). Jakob betrügt seinen Bruder Esau und flieht dann vor seinem Zorn. Auf der Flucht hat er einen Traum. Man würde vermuten einen Albtraum, doch das Gegenteil ist zutreffend. Es öffnet sich der Himmel über ihm. Er sieht Gott vor sich, der ihn segnet.

Das widerspricht vielleicht unserem Gerechtigkeitsverständnis. Gott ist ganz anders, als wir uns ihn vorstellen. Gott wendet sich gerade den Menschen zu, die es am meisten brauchen. Dieser Traum Jakobs ist für mich die Ermutigung, nicht darauf zu vergessen, dass der Himmel über uns offen ist und Gott in allen Situationen unseres Lebens für uns da ist.

Interview: Katharina Grager

Als Wegweiser zu einem Leben in Fülle versteht die Theologin und langjährige Geistliche Begleiterin Waltraud Schaffer Träume. 
Bei einem Studientag möchte sie Verstehenshilfen für Träume und biblische Texte vermitteln.  | Foto: Rye Bon/Pexels
Waltraud Schaffer ist Theologin und als Pastoralreferentin im Zentrum für Theologiestudierende tätig. | Foto: privat
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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