4. Sonntag d. Osterzeit: P. Jakob H. Deibl
Der gute Hirte als Fürbitter

Der gute Hirte ist im Christentum eine der ältesten und verbreitetsten Bezeichnungen für Jesus Christus. Das Bild begegnet aber auch schon in vorneutestamentlicher Zeit.  | Foto: Baronb - adobe.stock.com
  • Der gute Hirte ist im Christentum eine der ältesten und verbreitetsten Bezeichnungen für Jesus Christus. Das Bild begegnet aber auch schon in vorneutestamentlicher Zeit.
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Der heutige Sonntag ist der erste Sonntag nach Ostern, an dem als Evangelium keine der Auferstehungserzählungen mehr gelesen wird. Jesus wird uns heute in einer Perikope aus dem Johannesevangelium als guter Hirte vorgestellt.

Dies muss noch ganz auf dem Boden der Auferstehungserzählungen gehört werden. Wir fragen: Wer ist denn dieser Jesus, von dem uns nun mehrere Male verkündet wurde, er sei von Gott aus dem Tod auferweckt worden? Wie begegnet er uns denn? Wie können wir ihn verstehen? Antwort: als guten Hirten. Dies spiegelt die Erfahrung der sich langsam bildenden christlichen Gemeinden wider: Wo sie begonnen haben, Jesus bildhaft darzustellen, wählten sie meistens das Sujet des Hirten. Wir schließen mit dem heutigen Sonntag in gewisser Weise am Erfahrungsraum der frühen Kirche an.

Im Geist ist Jesus präsent

Ab dem nächsten Sonntag werden dann bis Pfingsten weitere Texte aus dem Johannesevangelium gelesen, die immer deutlicher auf die Gabe des Geistes, des Beistandes, des Trösters, hinweisen. Damit werden die vorher erwähnten Fragen weitergeführt: Wenn der Auferstandene für uns der gute Hirte ist, wie können wir ihn dann heute noch erfahren, wo doch der Auferstandene nicht mehr unter uns wandelt? Wie können wir ihn verstehen, wenn uns das Bild des guten Hirten im Laufe der Zeit fremd geworden ist? Wie ist er unter uns präsent? Antwort: im Geist, der zu einer immer neuen Kreativität, Offenheit und Imagination antreibt. Doch das weist schon weit voraus, bleiben wir noch beim Evangelium des heutigen Tages.
Der Gute Hirt flieht nicht
Der gute Hirt wird dadurch vorgestellt, dass er, wenn von Seiten eines Wolfes Gefahr für die Schafe droht, nicht flieht: „Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.“ Der gute Hirt verteidigt die Herde gegenüber dem Wolf, der für eine von außen kommende Gefahr steht.
Ich denke, es gibt noch eine tiefer reichende Dimension dieses Bildwortes, die uns bewusst werden kann, wenn wir auf einen anderen Hirten seines Volkes, nämlich auf Mose, blicken.

„Der gute Hirte ist nicht nur der, der die Herde gegenüber dem bösen Wolf verteidigt, sonden auch Gott gegenüber.“

Als das Volk Israel ein gerade hergestelltes goldenes Kalb anzubeten beginnt und sich vom Glauben an JHWH entfernt, d. h. am Tiefpunkt des Auszugs aus Ägypten, tritt Mose Gott gegenüber als Fürbitter für seine Herde auf: „Mose kehrte zu JHWH zurück und sagte: Ach, dieses Volk hat eine große Sünde begangen. Götter aus Gold haben sie sich gemacht. Jetzt nimm ihre Sünde von ihnen! Wenn nicht, dann streich mich aus dem Buch, das du geschrieben hast“ (Ex 32,31f).

Nicht ohne meine Herde

Wir können diese Passage (in Anlehnung an den Mailänder Theologen Pierangelo Sequeri) vielleicht so paraphrasieren: „Wenn du, Gott, mein Volk, das sicherlich eine Sünde begangen hat, nicht retten kannst, will auch ich nicht gerettet werden. Dann streiche auch mich aus dem Buch des Lebens. Ich, der Hirte meines Volkes, will nicht ohne meine Herde gerettet werden.“ Der gute Hirt ist dann nicht nur der, der die Herde gegenüber dem bösen Wolf verteidigt, sondern auch Gott gegenüber.

Gegenüber Gott verteidigen

Dies ist freilich nicht als eine Aussage über Gott zu verstehen – als wäre er den Menschen feindlich gesonnen –, sondern als Aussage darüber, wie wir, auf welcher Ebene auch immer, Leitung verstehen können. Als Hirte bin ich meiner störrischen Herde gegenüber verpflichtet, auch wenn ich ihre Fehler nicht gutheiße. Und sollte Gott gegen sie auftreten, müsste ich sie sogar ihm gegenüber verteidigen, indem ich für sie Fürbitte halte und mich nicht von ihr distanziere.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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