Bibel
Der König will eine deutsche Bibel

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Fast 150 Jahre vor Luther ließ der böhmische König Wenzel die Bibel ins Deutsche übersetzen. Die für ihn angefertigte Bibel sucht ihres Gleichen: von Hand auf Deutsch geschrieben und illustriert von den besten Künstlern der Zeit.

Martin Luther war nicht – wie weithin angenommen – der erste Bibelübersetzer. Bereits vor ihm wurde die Bibel ins Deutsche übersetzt, insgesamt sind etwa 70 Übersetzungen vor der Reformation nachweisbar, die älteste bereits aus dem 9. Jahrhundert.
Fast 150 Jahre vor Luthers berühmter Bibelübersetzung entstand in Prag zwischen 1390 und 1400 eine prachtvolle Bibel in der Volkssprache – die erste (fast) vollständige Handschrift des Alten Testaments in deutscher Sprache (es fehlen Makkabäer 1 und 2, Daniel sowie die „kleinen Propheten“). Die Vorrede betont das Ziel einer volkssprachlichen Bibel­übersetzung, die nicht nur Klerikern, sondern auch Laien einen direkten Zugang zum Bibeltext ermöglichen will.
Allerdings wurde die Handschrift nicht für die Allgemeinheit angefertigt, sondern für einen König: König Wenzel IV. von Böhmen (1361–1419), ein deutschsprachiger Luxemburger in Prag, bis zu seiner Absetzung 1400 römisch-deutscher Kaiser. Er war ein umstrittener und wenig erfolgreicher Herrscher, nicht umsonst trägt er den Beinamen „der Faule.“ In einer Auseinandersetzung ließ der König den Prager Generalvikar Johannes Nepomuk verhaften, foltern und umbringen. Allerdings war er gut gebildet und einer der größten Mäzene der Buchkunst. Sein größtes und prachtvolls­tes Buchprojekt war die Wenzelsbibel.
Die besten Buchmaler Europas wurden von Wenzel an den Prager Hof gerufen – leider sind alle unbekannt geblieben – und illus­trierten die großformatige Bibel mit 648 herausragenden Miniaturen – und darüber hinaus auch mit rätselhaften Emblemfiguren des Königs in den Verzierungen der Seitenränder.
Die Wenzelsbibel entstand jedoch nicht nur aus frommen und bibliophilen Gründen, sondern auch, um damit ein Zeichen zu setzen: König Wenzel und dessen Gattin Sophie waren frühe Sympathisanten des Häretikers Jan Hus, der die Übersetzung der Heiligen Schrift in die Volkssprachen befürwortete. Obwohl Wenzels Vater, Kaiser Karl IV., dies auf Bitten des Papstes untersagt hatte – aus Sorge um herätische Auslegungen der Bibel durch Laien –, gab Wenzel eine deutschsprachige Bibel in Auftrag und positionierte sich damit auf der Seite jener, die die Bibel als „hinreichend zur Seligkeit des Menschengeschlechts“ (Jan Hus) ansahen und die Autorität der Kirche in Frage stellten. ph

Die Ausstellung: Ausgewählte Faksimileblätter der Wenzelsbibel sind bis 17. Oktober (Montag bis Freitag 8–12 sowie 14–16 Uhr oder nach Terminvereinbarung unter Tel. 07477/42885) im Bildungshaus St. Benedikt in Seitenstetten zu sehen.

Führung und Vortrag: Am 29. 9. führt Dr. Maria Theisen von der Akademie der Wissenschaft durch die Ausstellung (ab 18 Uhr) und hält einen Vortrag über die Wenzelsbibel (um 19.30 Uhr).

Bei „Tee.Zeit.Gespräche“ spricht Rektor Thomas Pichler über „Wenzel und Nepomuk“. Am 27. 9., 15–16 Uhr, im Bildungshaus St. Benedikt.

Autor:

Patricia Harant-Schagerl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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