Trauer um Papst emeritus

papst Benedikt XV. (1914-1922) und dem Patron Europas Benedikt von Nursia (480-547). 
 | Foto: Wolfgang Radtke/KNA
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  • papst Benedikt XV. (1914-1922) und dem Patron Europas Benedikt von Nursia (480-547).
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„Jesus, ich liebe dich”, mit diesen Worten auf den Lippen starb Papst em. Benedikt XVI. am 31. Dezember im Alter von 95 Jahren.

Papst Franziskus war als erster Besucher ans Totenbett geeilt, um den Verstorbenen zu segnen und für ihn zu beten. Er danke Gott dafür, dass er der Kirche und der Welt Benedikt XVI. geschenkt habe, so Franziskus bei der Jahresabschlussandacht im Petersdom. „Mit Rührung erinnern wir uns an seine so edle, so sanfte Person“, so Franziskus.

Bleibende Verdienste

Weltweit und vor allem auch in Österreich und in der Diözese St. Pölten wurde Benedikt XVI. gewürdigt. Diözesanbischof Alois Schwarz wies auf seine bleibenden Verdienste hin. Als „einer der größten Lehrer der Theologie und Freund der Menschen“ sei der emeritierte Papst vor allem für Einfühlsamkeit und intellektuelles Suchen nach der Wahrheit des Glaubens gestanden. Er habe in seinem Leben und Wirken die Menschen ermutigt, „in der Freundschaft zu Jesus zu leben“ und damit „Lebensregeln des Glücks“ zu erfahren, so Schwarz in einer Stellungnahme. Besonders deutlich habe Benedikt XVI. dies in seiner Jesus-Trilogie entfaltet. In seinem Dank erinnerte Bischof Schwarz an die Worte Benedikts XVI. bei seinem Wien-Besuch 2007: „Ein Österreich ohne christlichen Glauben wäre nicht mehr Österreich.“ Die dabei ausgesprochene Einladung „Auf Christus schauen“ sei „programmatisch für die ganze Welt“ gewesen.

Auch Kardinal Christoph Schönborn rief am Neujahrstag in der Basilika von Mariazell den Besuch von Benedikt XVI. 2007 in Österreich in Erinnerung. Der verstorbene frühere Papst sei speziell der Mariazeller Gnadenmutter seit vielen Jahren eng verbunden gewesen.

Dankbar erinnerte sich u. a. auch Abt Pius Maurer vom Stift Lilienfeld an den ehemaligen Papst, der im Herbst 2021 Ehrenmitglied im Lilienfelder Josefsverein geworden ist. Besonders bedankt habe sich der Papst emeritus für das Bild vom Tod des heiligen Josef, das ihm als Ehrenmitglied des Josefsvereins geschickt worden war. Das Bildnis habe in seinem Wohnzimmer einen Ehrenplatz an der Seite des Kreuzes Christi und der Muttergottes erhalten. „In diesem späten Augenblick meines Lebens ist mir der Blick auf das Sterben des heiligen Josef besonders wertvoll“, schrieb Benedikt XVI. an den Abt.

„Professor Papst”

„Professor Papst“ wurde Benedikt XVI. immer wieder genannt. Denn seine Ansprachen vor der UNO, im Berliner Reichstag oder im britischen Parlament waren anspruchsvoll wie Vorlesungen an der Universität. Aus seiner Liebe zur akademischen Theologie macht Benedikt XVI., der 1927 als Josef Ratzinger im bayrischen Marktl zur Welt gekommen war, nie einen Hehl. Als junger, schüchterner Priester aus Bayern füllte er die größten Hörsäle. Seine Brillanz veranlasste den Kölner Kardinal Josef Frings, den gerade 35-Jährigen zu seinem Berater beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zu machen.

Über den hoch angesehenen Frings und über viele Gespräche mit anderen Konzilsvätern nahm Ratzinger erheblichen Einfluss auf diese größte Kirchenversammlung des 20. Jahrhunderts. Der Euphorie des Konzils folgte ein Aufbruch, aber auch eine Zeit der Verunsicherung. Hatte sich die Kirche zu sehr dem Zeitgeist angedient? Auch der verschreckte Konzilstheologe Ratzinger wandte sich nach der „Revolution der 68er“ der Verteidigung der Tradition und der Volksfrömmigkeit seiner Jugend zu.

Nach Lehrtätigkeiten und seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) wurde Ratzinger schon nach drei Monaten der Purpur verliehen. Der Episode in München folgte 1982 Ratzingers Bestimmung über Jahrzehnte: als Präfekt der römischen Glaubenskongregation. Vom Vatikan aus bekämpfte er fortan für Johannes Paul II. modernistischen Relativismus und eine marxistisch orientierte Befreiungstheologie.

Seine Erklärung „Dominus Iesus” (2000), in der er die besondere Stellung der katholischen Kirche betont, sorgte weltweit und anhaltend für Debatten.

Das „theologische Gehirn“ des Wojtyla-Pontifikates erhielt Attribute wie „Großinquisitor“ und „Panzerkardinal“. Gleichwohl pflegte er die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Welt. Nach dem Tod Papst Johannes Paul II. wurde Ratzinger am 19. April 2004 dessen Nachfolger. Er nannte sich Benedikt XVI. – nach dem Friedenspapst Benedikt XV. (1914-1922) und dem Patron Europas Benedikt von Nursia (480-547).

Der Mensch Joseph Ratzinger schien bei Benedikt XVI. viel stärker durch als beim Glaubenswächter: Einfachheit, Bescheidenheit, Harmoniebedürfnis. Seine drei Enzykliken gehören zum Besten päpstlicher Theologie überhaupt. Zu seinem Erbe gehörte auch die Aufarbeitung des Skandals um sexuelle Gewalt in Einrichtungen der römisch-katholischen Kirche, auf die Benedikt XVI. in London mit einer historischen Vergebungsbitte reagierte. Zuletzt lag der Vorwurf, dass er als Münchner Erzbischof nichts gegen des Missbrauchs beschuldigte Kleriker getan habe, wie eine dunkle Wolke über ihm – öffentlich bat er dafür um Entschuldigung.

Erster Amtsverzicht eines Papstes seit 718 Jahren

Doch Benedikt XVI. sorgte auch für so manche Schlagzeile: 2006 löste ein Detail eines hochintellektuellen Vortrags in Regensburg einen Sturm in der islamischen Welt aus. Benedikts schlagzeilenträchtiger Istanbul-Besuch wurde zur bis dato schwierigsten vatikanischen Krisendiplomatie. Ein weiteres zentrales Anliegen war dem deutschen Papst die Versöhnung von Kirche und Judentum. Seine Rede in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem 2009 kollidierte freilich mit seinen Zugeständnissen an die lefebvrianischen Piusbrüder.
Die Piusbruderschaft steht auch für Ratzingers größte Panne. Der Anhänger katholischer Tradition wollte sich mit dem Bruch 1988, den er selbst als Kurienkardinal mitverantwortet hatte, nicht abfinden. Als Papst suchte er die Aussöhnung. Doch zeitgleich wurde Peinliches enthüllt: Einer der Pius-Bischöfe hatte den Holocaust geleugnet. Auch der „Vatileaks“-Skandal um heimlich kopierte vertrauliche Dokumente machte Benedikt XVI. das letzte Amtsjahr schwer. Es folgte jener Akt, der ihm für alle Zeiten einen Platz in den Geschichtsbüchern sichert. Der erste freiwillige Amtsverzicht eines Papstes seit 718 Jahren.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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